Arcade Fire
Miroir Noir: Neon Bible Archives 2006-2007
Singen auf der Feuerleiter - Janusköpfig: eine Popband zwischen Mystik und Entmystifizierung.
In einer noch nicht erschienenen Edition von Trivial Pursuits „Rock&Pop“ könnte eine Frage folgendermaßen lauten: Wer oder was ist „1-866-Neon Bible“? Für aufmerksame Konsumenten von „Miroir Noir: Neon Archives 2006-2007“ ist die Antwort kein Problem. Unter dem kryptischen Code unterhalten Arcade Fire einen Telefonanrufbeantworter, auf dem Interessierte Nachrichten hinterlassen können. Eine gewiefte Marketingstrategie, gewiss, aber eben auch ein Sprachrohr für enthusiastische Anhänger und notorische Hasser der Band. Magisch angezogen von den zumeist anonymen AB-Botschaften, bereichert Regisseur Vincent Morisset seine 70 Minuten lange Dokumentation mit den kernigsten Aussagen. Eine lautet demütig: „Euer Produkt hat mir mein Leben zurückgegeben“, eine andere hingegen zeugt von Unverständnis: „Das alles macht keinen Sinn!“ Aber da ist auch noch die Nachricht einer Mutter aus einer Kleinstadt, deren fünfjährige Tochter eigens Geschenke für die Band gebastelt hat. Mehrere Bilder hat die Kleine gemalt, und zwar nach dem Genuss von Arcade Fires Alben Funcral und Neon Bilde. Nicht minder bizarr gestaltet sich der opulente Bilderrausch, wenn sich die achtköpfige Band um das Ehepaar Win Butler und Regine Chassagne in einen Lift drängt, um sich in schnöder Video-Clip-Ästhetik inszenieren zu lassen. Auch schön: Butler und Chassagne intonieren Akustisches in einem Hotelzimmer, im Rücken der atemberaubende Ausblick auf eine nächtliche Skyline. Wahlweise gibt’s Butler aber auch singend auf der Feuerleiter und Chassagne, die in einer Kirche Orgel spielt. Aber dasind auch noch die Konzertmitschnitte, häufig gefilmt in klaustrophobischen Close-ups. Fans, deren Verehrung beinahe religiös anmutet. Als Kontrast dann Arcade Fire ganz ohne ihre der Amish-Sekte entliehene Bühnengarderobe, sondern in legerer Freizeitkleidung. Die Entmystifizierung, wenn man so will. Komplettiert wird das alles durch fabelhafte TV-Performances bei „Friday Night With Jonathan Ross“ und „Saturdav Night Live“.
Vö.: 27.03.09
www.arcadefire.com