Hell

Teufelswerk Gigolo/Rotigh Trade Größenwahn revisited: Das Opus magnum erzählt auf zwei CDs die Geschichte der musikalischen Sozialisation Heils. Zwischen kosmischem Krautrock und Techno Größenwahn, so hieß nicht nur ein Münchner „Tanzcafe“, in dem Helmut Geier am Anfang seiner Karriere als DJ Hell Platten aufgelegt hat, sondern auch ein 2005 erschienener Überblick über die Karriere des international abgefeierten Produzenten und DJs. Man ist geneigt, Hell ein gewisses Maß an Größenwahn zu attestieren, wenn man allein die Eckdaten seines vierten Albums auf sich wirken lässt: zwei CDs, 16 Tracks, knapp zwei Stunden Spielzeit. Aber der Anfangsverdacht des Größenwahns wird von den Inhalten des Albums weggewischt. Bei TEUFELSWERK geht es um „Kosmische Musik“, um die Übersetzung von experimentellem Krautrock (Kraftwerk, Can, Tangerine Dream et al.) in die Sprache postmoderner elektronischer Musik. Dass damit auch die Geschichte der musikalischen Sozialisation des musikbesessenen Hell erzählt wird, ist ein hübscher persönlicher Nebeneffekt. Was Hell im Wiener Studio Peter Kruders mit Kruder, den Multiinstrumemalisten Christian Prommer und Roberto Di Gioa aufgenommen hat, ist ein ordentliches Pfund Old-School-Elektronik, New Wave, EBM, Techno, Prog, Psychedelia und Space Rock. Manchmal hübsch getrennt, manchmal alles zusammen in den nicht wenigen ausufernden Tracks. Der Opener „U Can Dance“, der um den Gesang von Bryan Ferry aufgebaut ist, schwebt als cleverer, eleganter und semidüsterer Post-Disco-Track dahin. „Electronic Germany“, inhaltlich und formal das zeitgeistige Update der klassischen Kraftwerk, circa COMPUTERWELT. In „The DJ“ lässt P Diddy kein gutes Haar an der titelgebenden Berufsgruppe. Auf den beiden CDs, die in einen „Night“und einen „Day“-Teil unterteilt sind, gibt es auch ein paar straighte (EBM-)Techno-Tracks, aber selbst die zeugen von der Sound- und Detailverliebtheit aller Beteiligten. Heils letztes Album NY ML’SCLE von 2003 (mit einer James-Murphy-Kollaboration) blieb weitgehend unverstanden, weil es sich zu einer Zeit mit dem Phänomen Disco Punk/Electro Rock beschäftigte, als davon noch niemand etwas wissen wollte. TEUFELSWERK wandert auch wieder auf musikalischen Feldern umher, die von der Allgemeinheit wahrscheinlich erst in ein paar Jahren erschlossen werden.

VÖ: 27.4. www.djhell.de Interview S. 18