Klaus Schulze – La Vie Electronique Vol. 1 & 2

Manche Menschen vertrauen besondere Erlebnisse und geheime Wünsche einem Tagebuch an.

Klaus Schulze hingegen speicherte seit 1968 seinen Werdegang als Musiker akribisch auf Tonbandgeräten der Marke Telefunken und Grundig. „Ich besitze ein umfangreiches, nahezu lückenloses Archiv meiner eigenen Entwicklung“, gibt der heute 61 Jahre alte Komponist, Produzent und Elektronik-Pionier zu Protokoll. Wie lückenlos, das veranschaulichen zwei randvoll mit Schätzen der Vergangenheit gelullte 3-CD-Sets, einst Bestandteil der streng limitierten Box „The Ultimatc Edition“ von sage und schreibe 50 Silberlingen. LA VIE ELECTRONIQUE VOL. 1 präsentiert Aufnahmen der Jahre 196S bis 1972. Meditative Elektronik mit typisch versponnenen Titeln wie „I Was Dreaming I Was Awake And Then I Woke Up and Found Myself Asleep“, „Tempus Fugit“ und „Die Kunst, hundert Jahre alt zu werden“ aus einer Ära, in der Schulze vom Beat-Enthusiasten der Berliner Formation Psy Free über jeweils kurze Stationen als Schlagzeuger bei Tangerine Dream und der von ihm mit initiierten Ash Ra Temple zum visionären Solisten reifte. Rüstzeug für seine anfänglich noch mit einfachsten Mitteln wie Teisco-Orgel, Hallspirale, Echo-Mixer und modifiziertem Fender-Verstärker erzielten Innovationen holte sich Schulze, der sich von den Minimalisten Terry Riley, Philip Glass und Steve Reich, aber auch von Karlheinz Stockhausen sowie Richard Wagner und Wolfgang Amadeus Mozart gleichermaßen inspiriert führte, beim zeitweiligen Musikstudium an der Technischen Universität Berlin in Sachen experimentelle Komposition. Zeitlich chronlogisch setzt sich das Sound-Diary LA VIE ELECTRONIQUE VOL. 2 mit der Ära der Jahrgänge 1972 und 1973 fort. Bizarre Klangcollagen ohne Namen, die erst im Nachhinein mit Titeln wie „North Of The Yukon“ und „Nightwind“ getauft wurden. „Study For Philip K. Dick“ weist dem gleichnamigen Autor des Science-Fiction-Klassiker „Do Androids Dream Of Electric Sheep?“ Referenz, das als Vorlage für den Kinokultklassiker „Blade Runner“ diente. Vier weitere Stücke, darunter „Mmuet“, „Land der leeren Häuser“ und „Signs Of Dawn“ entstanden in enger Kollaboration mit Schulzes Partner Hans-Jörg Stahlschmidt und enthalten Gitarre, Bass und Stimmeinsatz. „Das große Identifikationsspiel“ ist Auftragsarbeit für das gleichnamige Hörspiel von Alfred Behrens. Auf der weiterentwickelten Farfisa „Professional Duo“ Orgel entstand wiederum „Titanensee“, „Memento Mori“ und „Blaue Stunde“ – der legendäre VCS-3 ließ noch ein wenig auf sich warten. Aber der Meister vor allem subtiler Töne konnte auch ganz anders: „Electric Love-Affair“ arbeitet mit den Mitteln dissonanter Noise-Attacken.

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