Der seltsame Fall des Benjamin Button :: Die Zeit, die bleibt

Nichts bleibt. Alles ist vergänglich. Es ist die Kunst des Kinos, den einfachen Wahrheiten des Lebens Nachhaltigkeit zu verleihen, Schwerelosigkeit, die Freiheit der Betrachtung. Es hat die Macht, komplexe Emotionen und Überlegungen auszulösen, den Zuschauer zu offnen für Auseinandersetzung und Projektion, unsere Sicht auf Dinge abzukoppeln vom Körper und damit den Blick auf uns selbst zu lenken, ein Spiegel mit Eigenleben. Was also wäre, fragt sich der seltsame fall des Benjamin Button, wenn sich ein Leben nicht danach bemäße, dass man jeden Tag einen Tag mehr, sondern einen Tag weniger lebt? Ausgehend von dieser Überlegung entfaltet fight CLUB-Regisseur David Fincher in seiner Adaption einer Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald die epische Geschichte eines zu Beginn des Ersten Weltkriegs in New Orleans mit dem Körper eines Greisen geborenen Mannes, der sein Leben verkehrt herum lebt: Während die Menschen um Benjamin Button altern, wird er immer jünger. Viel wird man lesen können über die an Genialität kaum zu übertreffende Effektarbeit. Entscheidend aber ist, dass die Effekte unsichtbar sind, nie auf sich aufmerksam machen. Sie sind nur dazu da, Fincher bei der Verwirklichung des alten Kubrick-Credos zu helfen: Wenn man es denken kann, kann man es auch filmen. Der Mann, der in sieben eine Pappschachtel in die Wüste schicken ließ, in Fight Club zu den Klängen der Pixies Neubauten zum Einstürzen brachte und in dem extrem zurückgenommenen zodiac einem Taxi aus der Perspektive Gottes bei seiner nächtlichen Reise durch San Francisco folgte, macht hier erstmals nur das, was wirklich nötig ist: Er erzählt. Eine Geschichte, die zwangsläufig ein Staunen abringt, weil er den Zauber in den Dienst dessen stellt, um was es geht. Nichts bleibt. Alles ist vergänglich. Vom Ersten Weltkrieg zu Hurricane Katrina spannt Fincher seinen epischen Bogen, verbietet sich aber sowohl den Reiz, eine historische Nummernrevue abzufeiern, als auch billige Emotionen abzurufen. Er will kein kollektives Wohlfühlen, sondern individuelle Anteilnahme. Und fängt mit Hilfe seiner großartigen Schauspieler – kein böses Wort mehr über Brad Pitt – ein, was eine große Liebe bedeutet. Und wie schwer es wiegt, dass auch sie nicht bleibt.

Start: 29.1. Mit Brad Pitt, Cate Blanchett, Tilda Swinton

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