Die Heebie-Jeebies im CBCB’s von Steven Lee Beeber
Die Geschichte des Punkrock ist oft erzählt; den Klassikern jedoch (Jon Savage und McNeil/ McCain) konnte die Bücherflut der letzten Jahre nichts Wesentliches hinzufügen. Das ist bei diesem Buch anders. Steven Lee Beeber geht von derin derTaterstaunlichen „Entdeckung“ aus, dass der überwiegende Teil der Protagonisten zumindest des US-Punk der ersten Generation und seiner Vorläufer US-amerikanischerjuden angehört(e), die nach dem Zweiten Weltkrieg aufwuchs. Punk, erfahren wir, sei fürVorläuferwieLenny Bruce, LouReed.Tuli Kupferberg und Bob Dylan, Punkmusiker wie Sylvain Sylvain, Joey und Tommy Ramone, Richard Hell, Chris Stein, Dick Manitoba, Lenny Kaye, Jonathan Richman. Suicide, Genya Ravan u. v. a., aber auch Produzenten und Manager wie Malcolm McLaren, Bernard Rhodes und Danny Fields, Clubbetreiber (allen voran Hilly Kristal vom CBGB), Kritiker, La belbosse(etwaSeymourStein von Sire), Fanzinemacher, Roadies, Groupies (Nancy Spungen) und andere eine Form der Auseinandersetzung nicht nur mit musikalischen, soziologischen und politischen Um- und Zuständen gewesen, sondern auch mit der jüdischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, indem ein Großteil der Menschen, ihrer Identität und Geschichte von Deutschen vernichtet wurde. Wesentliches Element istdabei neben einem nicht selten offenen Selbsthass die Rolle und Figurdes anarchistischen Parias, des „Schlemihls“ am Rande der Gesellschaft. Dieser Ansatz ist hochinteressant, aber auch riskant, wenn und weil Beeberdas.Jüdischsein“ nichtdurch die(aktive) Ausübung der Religion, sondern (nach Hannah Arendt) eine andere Art der Zugehörigkeit definiert, die sich auch rassistisch deuten ließe. Schon deshalb wünscht man dem Buch viele Leser, die entsprechenden Zumutungen nicht „Nazis raus“-Chöre. sondern Argumente entgegensetzen- die sie hier finden. Getreu dem Motto „Zwei Juden, drei Meinungen“ geht Beeber Missverständnissen, Mehrdeutigkeiten, Zynismen und Widersprüchen nicht aus dem Weg, sondern destilliert daraus immer neue, überraschende Einsichten, so etwa auch zur Bedeutung der Verwendung von Nazisymbolen im Punk. Ein faszinierendes, spannendes und (auch rein faktenhistorisch) enorm lehrreiches Buch, an dem zwei winzige Kleinigkeiten zu bemängeln sind: die Gewohnheit der Übersetzerin, „und“ durch „oder“ zu ersetzen, was nicht selten für Verwirrung und Verwechslung sorgt, und -es muss ja sein -der Titel. Ein „CBGB’s“ hat es nie gegeben, ebensowenig wie (Verzeihung) eine NSDAPCEs.
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