Schöne bunte Welt

Treten koksende Nonnen, nymphomanische Transvestiten, sexuell von einem Patienten abhängige Psychiatriedirektorinnen,debile Polizisten und/oder hyslerische Damen mit monströsen, etwa espressokocherformigen Ohrgehängen auf? Geht es um Liebe, Lust und Leidenschaft? Spielt Carmen Maura, Victoria Abril oder Marisa Paredes die weibliche Hauptrolle? Sind die hasenzähnige Rossy de Palma, die oft hinter gurkenglasdicken Brillengläsern jammernde Chus Lampreave oder, ohne Worte, Penelope Cruz mit von der Partie? (Keine der Damen wird vergessen, wersie einmal gesehen hat.) Treffen auch nur zwei dieser Kriterien zu und spielt der Film außerdem in Madrid? Dann: Willkommen im Universum von Pedro Almodövar, einem der. wie er von sich selbst sagt, besten Regisseure der Welt,“wie Ingmar Bergman und Woody Allen“. Dieses Universum ist jetzt, endlich, fast vollständig zusammengetragen worden-für die DVD-Box pedro almodövar: die crosse Edition (Ufa, 5). Wer in den vergangenen Jahren immer wieder enttäuscht wurde auf der Suche nach zum Beispiel „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ (diesem überdrehten Meisterwerk, mit dem Almodövar 1988 der internationale Durchbruch gelang), der wird sich besonders darüber freuen, dass mit der Box fünf Filme aus den 80ern zum ersten Mal auf DVD erscheinen. Allerdings fehlen der Erstling „Pepi. Luci, Born und die anderen Mädchen vom Haufen“ (1980) sowie „Matador“ (1982). Werdie 14 DVDs in chronologischer Reihenfolge anschaut, sieht dem Almodövar-Universum beim Großwerden zu. Anfang der 80er, im Aufbruch nach der Franco-Ära, war die Welt des heute 59-Jährigen noch schriller und skurriler. Damals wollte er vor allem provozieren. Und würde man den Regisseur nicht so verehren, dann müsste man das „Labyrinth der Leidenschaften“ von 1982 als das bezeichnen, was es ist: eine bonbonfarbene Mischung aus Trash und Bockmist. Esfolgen das „Klosterzum heiligen Wahnsinn“ (1983) und „Womit habe ich das verdient“ (1984). Letzterer istder erste richtiggute Almodovar-Film- und der erste, der bei allerAbsurdität aus einer sehr tristen Welt erzählt. Und genau das ist seine Meisterschaft: Almodovar erzählt Geschichten, in denen aus derTragik die Komikdurchscheint-und aus der Komik die Tragik. Je älterder Regisseur wird, umso mehr überwiegt die Tragik(siehe und vorallem: sieh „Sprich mit ihr“,“Lamala educación“ und „Volver“!). Einen Wendepunkt stellt der damals von Feministinnen kritisierte Film „Fessle mich!“ (1989) dar. Antonio Banderas spielt darin den so hundekuchenguten, jedoch geisteskranken Ricky. Der liebt die Pornodarstellerin Marina, und um ihr das zu beweisen, kidnappt er sie und bindet sie am Bett fest. Als die beiden sich schließlich lieben, erlebt der Zuschauer nicht nur eine der zauberhaftesten Liebesszenen der Filmgeschichie: Er begreift etwas vom Leben selbst.