Über Michael Jackson :: Margo Jefferson

Peter Pan und Regisseur der eigenen Freakshow tatsächlich mehr Antworten als Ahnungen zu einem Pop-Phänomen.

Kleine Warnung: Ein Essay ist kaum geeignet, Fans des behandelten Objekts zu beglücken. Die angesehene New Yorker Literatur- und Theaterkritikerin Margo Jefferson arbeitet sich nach allen Regeln einer solchen laut Definition „kurzen geistreichen Abhandlung“ am „König des Pop“ ab. Schon am Ende der ersten Seite ist sie drin, kommt mit der Tür ins Haus, in Neverland. Und marschiert mit ihren Lesern wie eine wildgewordene Kulturwissenschaftlerin, Soziologin und Psychologin eine halbe Stunde vor Schließung der Ausstellung durchs bunte und perverse Absurdistan dieses Jungen aus Gary, Indiana. Ein Junge, der nie Kind sein durfte und deshalb auch nie ein Erwachsener werden konnte-und wollte. Michael Jackson, der auf ewig verfluchte Peter Pan und gleichzeitig Disney-riesige, Edgar-Allan-Poe-schreckliche und P.-T.-Barnum-betrügerische Regisseur seiner eigenen Freakshow. Margo Jefferson zieht in einem anfangs geradezu verwirrenden Tempo alle Register, deutet noch in die kleinste Tanzbewegung während eines Fernsehauftritts im Jahr soundso oder ins zweieinhalbseitige Skript zum Musikvideo für den Song XYZ einen psychologlischen Beweggrund Jacksons hinein. Und schielst dadurch auch mal übers Ziel hinaus. Aber bald schon gewinnt ihr Versuch eines indiziengestützten Psychogramms unter laufender Beobachtung unserer jederzeit vorurteilssicheren und zudem leider sexistischen und rassistischen Gesellschaft, die den Soulwunderknaben Michael feiert, den beispiellosen Pop-Illusionisten Jackson umjubelt und den gefallenen Freak richtet, immer mehr an Schärfe. Und am Ende ist es tatsächlich, als wäre vorläufig alles gesagt: über Michael Jackson. Und sein Publikum.