Rebellion auf Super8:The Punk Rock Movie :: DVD des Monats

Zufälle gibt’s! Trifft doch im Winter 1977 DJ Don Letts die Vogue-Redakteurin Caroline Baker. Welten prallen aufeinander im legendären Roxy Club am Covent Garden, Londons damals einziger Punk-Enklave. Trotz scheinbar unüberbrückbarer Gegensätze finden sich die beiden auf Anhieb sympathisch. Besiegelt wird die Freundschaft des ungleichen Paares mit einem besonderen Geschenk von Caroline an Don: einer Super-8-Kamera. Mit der wird das spätere Mitglied von Big Audio Dynamite die kommenden 24 Monate akribisch dokumentieren. Jene denkwürdigen 100 ersten Tage des Roxy Clubs, bevor der Ausverkauf begann und sich der Punk in Richtung Mainstream aufmachte. Aber auch als Zaungast aus nächster Nähe beim täglichen Flanieren auf der King’s Road und Kensington High Street. Noch näher dran ist der Beobachter mit den üppigen Dreadlocks bei diversen Tourneen samt hautnaher Impressionen aus dem Backstage-Bereich, aus Tour-Bussen und von Autobahn-Raststätten. Genau 30 Jahre später werden die aus dem groben Rohmaterial destillierten 80 Minuten, die 1979 als handfester Skandal gar die Filmfestspiele von Cannes eröffneten, die einzig wirklich authentischen Aufzeichnungen jener Pioniertage sein, die den Kurs der Rock-Historie maßgeblich veränderten. Doch Hauptdarsteller sind nicht die üblichen Verdächtigen, also Bands wie The Slits, X-Ray-Spex, Subway Sect oder Slaughter & The Dogs. Auch nicht glamouröse Szenefiguren wie Steve Strange, Cat Woman, Jordan oder der blutjunge Shane McGowan beim Pogo mit einer waschechten Punkette. Im Mittelpunkt steht vielmehr eine sich provokant mit Hakenkreuzen schmückende Jugendbewegung in all ihrer Euphorie, voller Übermut und Naivität. Eine Jugendkultur, die sich nicht nur optisch signifikant vom Rock-Establishment abhebt. Verständlich und in gewisser Weise auch der Authentizität förderlich, dass sich so ein Tagebuch nicht in gestochen scharfen Bildern und sattem 5.0-Dolby-Surround-Sound präsentiert. Andererseits entpuppt sich die Qualität des Materials aber auch nicht als so schlecht, wie man aufgrund des Alters, der primitiven Technik und der katastrophalen Aufnahmebedingungen annehmen möchte. Alles ist zu erkennen, wenn etwa Generation X samt Frontmann Billy Idol sich vor laufender Kamera in dem kleinen versifften Loch, das sich Garderobe nennt, für den Auftritt umziehen und wie beiläufig mal eben ihre primären Geschlechtsmerkmale präsentieren. Oder aber die frühen Siouxsie & The Banshees, die auf der Bühne behaupten, in „Bad Shape“ zu sein, im Kollektiv ominöse Pillen schlucken – wahrscheinlich Weckamine, um den anstrengenden Tag als revolutionäre Zelle unfallfrei durchzustehen. The Clash, noch weit davon entfernt, eklektizistische Alben wie London calling oder SANDiNiSTA! zu planen, proben den Aufstand mit „White Riot“. Komplett richtig schätzen Johnny Thunders & The Heartbreakers ihre Situation mit „Born To Lose“ ein, Und verherrlichen in „Chinese Rock“ dann auch noch ihre von Keith Richards abgeschaute Heroinsucht. Erfrischend subversiv, wie Eater mit Beilen einen auf der Bühne platzierten Schweinekopf zerhacken, bevor der dann in die Menge fliegt. Wayne County, New Yorker Transen-Relikt der vergangenen Glam-Rock-Ära, lässt mit seinen Electric Chairs den britischen Punk-Nachwuchs mit der Hymne „Fuck Off“ wie schnöde Anfänger aussehen – die sie ja auch waren. Zweifelloser Höhepunkt von the punk rock movie bleibt aber Auftakt und Finale des Artefakts. Ein manischer Auftritt der Sex Pistols im Londoner Screen On The Green Cinema am 3. April 1977 – der erste mit Sid Vicious nach Glen Matlocks nicht ganz freiwilligem Abgang. Frontmann Johnny Rotten bestreitet auch noch den Bonusteil mit einem knapp 30-minütigen Interview von 1983. Da nannte er sich schon längst wieder John Lydon und erinnerte sich mit einer Bierflasche als Requisit in unnachahmlichem Sarkasmus an seine einstigen Pioniertage. >» www.moviesfoundonline.com/punk_rock_rnovie.php