Fleet Foxes – Fleet Foxes :: Die Platte des Monats:
Als sich Kurt Cobain am 5. April 1994 mit der Flinte eine Ladung Schrot ins Hirn beförderte, war Robin Pecknold gerade mal acht Jahre alt. Wie jeder gute Junge aus Seattle hat auch Robin von diesem Ding namens Grunge gehört, von dem Sänger und dessen Million-Dollar-Depression. Doch der Sound, den Nirvana und Pearl Jam einmal um die Welt jagten, hat bei Robin keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Knapp anderthalb Jahrzehnte nach dem Todesschuss des Grunge veröffentlicht Pecknold das Debütalbum seiner Band Fleet Foxes, es ist ein Song-Zyklus von großer Schönheit und ausgelassener Melodik geworden – nah am pastoralen Pop-Album der Sixties gebaut. Ein Fixstern am Firmament, an dem sich die Folk-Tribes dieser Tage orientieren mögen, die Freunde von Devendra Banhart, von Sufjan Stevens und Grizzly Bear, fleet foxes ist diejenige unter den neuen amerikanischen Liedersammlungen, die alle unter einem Dach versammeln möchte – Hallelujah, lasst uns gemeinsam über das Leben singen, über die Schöpfung, den Anfang und das Ende.
Schickere Vokalsätze haben wir in dieser Saison noch nicht gehört – die kreiselnden Chöre, das getragene „Uuuhuuhuu“ und das circensische „Awaaawaaa“, das am Himmel dieser Songs schwebt, als hätte man Crosby, Stills, Nash & Young, die Beach Boys, Simon & Garfunkel und eine gregorianische Gesangsgruppe für den Überbau engagiert. Es gibt keinen Moment der Nachlässigkeit, keinen Song, der nicht den nächsten Achttausender bezwingen möchte, sich in die Höhe streckt – Pecknold lässt die Melodien über raffinierten Gitarrenriffs und kleinen Mandolinen-Erzählungen zirkulieren, Gitarrist Skyler Skjelset zupft die Akustische voller Anmut („Tiger Mountain Peasant Song“). Jeder Song hier hat Luft für zwei seiner Art. Endlich frei atmen.
Früher soll Robin Pecknold im Glauben gewesen sein, dass ein guter Song ein guter Song ist – und damit basta. Heute weiß er, dass es da draußen vielleicht schon genug gute Songs gibt und dass die Arbeit erst hinter dem guten Song beginnt. Mit den Fleet Foxes macht er sich auf die Suche nach den geheimen Pfaden außerhalb des Strophe-Refrain-Schemas, fährt auf kurzen, konzentrierten Instrumentalpassagen ins Blaue, bis einer dieser Chöre in die nächste Kathedrale ruft, die Mandoline einsetzt und der „Song“ dann doch wieder draußen auf der Weide endet, wo die Lerche sitzt und singt, jeden Tag und ach, auch so schön. Die Unerschrockenheit ist die große Stärke der Fleet Foxes, sie mögen mit dem Sacred-Harp-Songbook unter dem Kopfkissen einschlafen und sich im Fahrwasser der Traditionalisten bewegen, die Entwicklung, die ihre Lieder im Laufe von drei, vier Minuten nehmen, ist kaum je vorhersehbar.
Vielleicht gefällt uns dieses Album auch so ausnehmend gut, weil es aus einem ganz anderen Amerika zu kommen scheint, aus einer Zeit, als Van Dyke Parks „Palm Desert“ und „Vine Street“ besang und Love ihr forever cHanges herausbrachten. Ob man das nun „klassisch“ oder „retro“ nennt, ist vollkommen wurscht angesichts der überbordenden Romantik, die fleet foxes zu einer Ode an Heimat und Familie macht. Einer Ode an all die verdächtig stabilen Werte, die die Amerikaner uns von jeher verkaufen, an die Idylle der „Blue Ridge Mountains“ – ein naturkonservatives Programm, das so und nur so dargereicht werden darf. Man kann diese Heimatkonstruktion und das damit verbundene Wertepaket kritisch hinterfragen oder die Fleet Foxes gleich zu Neil Young schicken (Neil Young in seiner prairie wiND-Phase). Mit diesen Gesängen im Ohr aber möchte man nur einstimmen in den Chor der Frühaufsteher, die sich zum Gebet getroffen haben, zu Ehren des gemeinen Eichhörnchens: „Redsquirrel in the morning, red squirrel in the evening, red squirrel in the morning, I’m Coming to take you home.“ („Sun It Rises“) R.I.P. Kurt Cobain, hier kommen die Kinder einer weit älteren musikalischen Revolution. Den Fleet Foxes ist mit diesem Debütalbum vielleicht schon ein Meilenstein der amerikanischen U-Musik gelungen.
www.myspace.com/fleetfoxes >»,,COVERVISIONEN S. 23; ST0RY ME 8/08
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