Zwölf Stunden sind kein Tag von Boris Fust

„Der Praktikanten-Roman“ heißt hier der Titelzusatz. Der abschließende Praktikanten-Roman. Gültig und nachvollziehbar für ALLE Praktikanten jeder Welt und jederzeit. Üblicherweise trifft Kunst mit selbst zugeschriebenem Universalanspruch gehörig daneben. Man erinnere sich nur an Marco Petrys grässliche Filmplattheit „Schule“, in der eine K13 auf dem Weg zum Abitur zu einer seelenlosen Ansammlung eindimensionaler Stereotypen verstümmelte. Eine gewisse Grundabscheu vor Fusts Roman, verbunden mit einer nicht unerheblichen Vorfreude, nach jedem Absatz laut „Das ist doch in echt gar nicht so“ denken zu können, ergibt sich also ganz natürlich für einen, der weiß, was es heißt, mehrmonatige Vollzeitarbeit gegen Nullbezahlung zu leisten. Wie schön, wie schnell diese Voreingenommenheit entschwindet! Bereits nach wenigen Zeilen lebt man in der Welt von Arne, der ein halbjähriges Praktikum in einer bescheuerten Werbeagentur absolviert. Mit enormer Sprachgewandtheit erzählt der Berliner Autor vom stetigen Drang, sich „committen“, dies und jenes umgehend „priorisieren“ und selbstverständlich massig „Content“ liefern zu müssen. Da bei verlässt er sich aber nicht auf die allzu simple Verballhornung von klischeehaftem Business-Sprech und erwartbaren Bürocharakteren. Auch erfährt man über das das Praktikum umringende Leben des Protagonisten nur so viel wie nötig; der in der neueren Popliteratur als so dringend notwendig empfundene Intimitätsoverkill bleibt aus. Dennoch bieten das sensibel geschilderte Verhältnis zum übermotivierten Chef, zur nicht uninteressanten Mitpraktikantin und zum etwas ziellosen Leben in der Großstadt, sprich: die gesamten Leiden des jungen A. eine Identifikationsfläche, wie man sie nicht für möglich halten möchte. Allerdings bleibt zu hoffen, dass in der vorliegenden „nicht endgültig redigierten Arbeitsfassung“ noch die Bezeichnung eines allseits bekannten TV-Kanals als „Behindertensender“ und die Attributierung der „Drei Fragezeichen“ als „schwul“der Zensur zum Opfer fallen. Solche Blödheiten beschädigen unnötigerweise den sonst so hohen, sympathischen und liberalen Stil des Werks. >»www.generation-praktikum.de