Anat Ben-David – Virtual Leisure

Der theoretische Überbau lädt schon mal zu heftigen Diskussionen ein. Für Anat Ben-David, israelische Video- und Performancekünstlerin und Neumitglied von Chicks On Speed, ist der Widerspruch zwischen Massenphänomen (Pop) und Individualismus (Kunst) ein Anliegen. Der Popmusiker als Künstler-ein Paradoxon. Was die Massen bewegt, kann keine Kunst sein. Wir empfehlen zur Vertiefung den Essay „Der Aufstand der Massen“ des spanischen Philosophen José Ortega y Gasset. Anat Ben-David bemüht gerne den Vergleich zwischen Faschistenführern und Stadionrockstars. Ein alter Hut freilich, aber von so übermächtiger Allgemeingültigkeit, dass er nicht oft genug aufgesetzt werden kann. Auf dem (Back-)Cover ihres ersten Albums Virtual leisure kapert Ben-David Rockstar-Machismo-Fantasien und holt sie auf die Seite der „Girlmonster“ zurück: Album- und Songtitel sind auf einen (ihren?) nackten Frauenkörper geschrieben. Ein Zitat des Covers des Louis-XIV-Albums the best little secrets are kept. Bei Ben-David sehen wir aber nicht die glamouröse Variante des weiblichen Körpers, mit der sich Louis XIV gerne schmücken. Die Musik: ein Gesamtkunstwerk aus Kinderzimmer-Electro-Pop, Variete- und Vaudevilleästhetik, Zappaismen mit Nina Hagen’scher Vokalakrobatik, Pseudoklassik in Electro, sleazy Electro Rock. Dazu: das Chicks-On-Speed-Cover“Fuzzy Nipple“ und die LoFi-Version von „Nimm dich in Acht vor blonden Frauen“, das Friedrich Hollaender für Marlene Dietrich geschrieben hat. Ein abstraker Neo-HipHop-Hit („Dyke Rider“) ist hier auch drauf. Ein Track, den Uffie wahrscheinlich gern geschrieben hätte. Virtual leisure ist die Annäherung an den Pop von der künstlerischen, politisch bewussten Seite-Abstraktionen über Pop und somit mehr Pop als manches, was sich so nennt. Pop als Kunst. Kunst als Pop. Kein Widerspruch bei Anat Ben-David.

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