Tilman Rossmy Quartett – In einem fremden Land

Tilman Rossmy ist der zu oft vergessene Große seiner Generation: Neben Distelmeyer, Begemann, Liwa und Spilker war er in den frühen 90ern mit seiner Band Die Regierung die eigenständigste Stimme, die sich hierzulande musikalisch vernehmbar machte. Mit den Songs von unten, der besten Regierung-Platte, konnte er einem mit nur ganz wenigen Worten so heftig ins Herz kneifen, wie das nur jemandem gelingt, der den Dingen wirklich nahe kommt. Aber Rossmy hatte nie den Geltungsdrang seiner Kollegen, seine Kunst war immer das Tiefstapeln (was ihn ein bisschen mit Nils Koppruch von Fink verbindet), und so verlor man ihn irgendwann im Laufe seiner Solojahre etwas aus den Augen, In einem fremden Land klingt wie Besuch von einem alten Freund. Es hat sich wenig geändert, man kennt die Schrullen, aber man freut sich immer über neue Geschichten. Noch immer presst Rossmy seine schnoddrige Bierdeckel-Lyrik so artikulationsmüde durch die Zähne, dass man anfangs schon ganz genau hinhören muss, um ihn zu verstehen. Aber es ist immer wieder schön, ihm zuzuhören. Eine solche Sichtweise der Vertrautheit birgt freilich die Gefahr sentimentaler Ignoranz, aber dieser Gefahr halten Rossmys neue Lieder mühelos stand: Gleich „So können wir auch sein“ ist ein wunderbar hingeworfener Song über die Möglichkeit zur Veränderung. Dieser trotzige Optimismus scheint Rossmy im Laufe des Albums noch einige Male aus dem Kragen. Glanzpunkt der Platte ist aber die Version des 1984er Nena-Hits „Fragezeichen“ (des übrigens besten Nena-Songs überhaupt): Der diffus zweifelnde Ton des Stücks bekommt beim unaufgeregten Spätvierziger Rossmy fast etwas Manifesthaftes. Am Schluss steht Rossmys bislang einziges englischsprachiges Stück: „Let There Be Mercy“. Lustig eigentlich, dass es in der fremden Sprache dann gleich Gnade sein muss, die erfleht wird, in seiner Muttersprache bleibt Rossmy ein Meister der schlanken Worte. VÖ 14.3.

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