Joyside – Wasted Orient

Die angeblich so subversive Underground-Szene Pekings verursachte vor einigen Monaten einen kurzen, aber heftigen Sturm in hiesigen Feuilletons. Insbesondere die Punkband Joyside erfuhr ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit. Was nicht zuletzt zu einer ordentlich besuchten Deutschland-Tour der Band führte, angesichts derer man fast hätte meinen können, die von Medien aller Couleur wild beschworene „Bedrohung aus dem Osten“ dräue nun auch in popmusikalischer Hinsicht. Indes: Die Szene, nicht zuletzt protegiert vom Neu-Pekinger Blixa Bargeld und porträtiert in der sehenswerten Doku bejing bubbles, ist beileibe kein Massenphänomen. Vielmehr eine Randerscheinung, die ein bisschen untergeht im turbokapitalistischen Eroberungswahn des neuen China. Es fehlt an Support für die jungen Wilden. Wohl aber auch an Verständnis seitens der vornehmlich an einer möglichst störungsfreien Verbesserung der eigenen Lebensumstände interessierten Mehrheit. Punk-Rock als Bedrohung? Es scheint tatsächlich, als sei China so ziemlich das einzige Land auf der Welt, wo Rock’n’Roll noch was mit Subversion zu tun hat. Leider lassen Joyside die sich aus dieser Konstellation ergebenden Möglichkeiten weitgehend ungenutzt verstreichen, indem sie sich bedingungslos einem von den West-Vorbildern adaptierten Klischee-Rock-Image unterordnen. 1 m Wesentlichen zeigt Kevin Fritz‘ auf der ersten China-Tour der Band entstandene Doku, wasted Orient, Joyside nämlich als eine Bande orientierungslos durch die Gegend torkelnder Kindsköpfe. Ob auf endlos langen Zugfahrten, in einer der zahllosen Garküchen oder in den Clubs selbst: Joyside erfüllen in niedlicher Naivität sämtliche Voraussetzungen einer Bilderbuch-Punkband. Einmal sagt einer der Musiker, sie seien nicht der Müll, für den sie die Regierung halte, sondern hätten-was sonst?-eine Botschaft für das chinesische Volk. Nur: Welche das ist, hat er gerade vergessen, da er zu viel von dem Gin getrunken hat, den er ständig mit sich herumschleppt und bei jeder Gelegenheit demonstrativ in die Kamera hält. Kein Wort über die Zensur, kein Ton über die massiven gesellschaftlichen Veränderungen und den Preis, den große Teile der Bevölkerung fürden erhofften Anschluss an westliche Konsumstandards zahlen. Stattdessen: Rülpsen, Furzen, infantiles Kichern. Und immer wieder Alkohol. Viel Alkohol. Nach interessantem Anfang ist das ganze pubertäre Getue, das Gepinkel an Häuserwände und öffentliche Pickelausdrücken auf Dauer ein bisschen ermüdend. Indes: Auch die Revolutionsführer des britischen Punk der frühen Jahre bezogen ja einen Großteil ihrer Wirkung aus, nun ja: pipikackahumorigen Furzwitzen und dergleichen mehr, und in Fernost mag derartiges Tun immer noch revolutionär wirken. Als Phänomen sind Joyside durchaus interessant, spätestens beim Hören ihrer rudimentären Punk-Riffs von der Stange wird aber klar: Bis China auch im Rock den Amis den Supermachtstatus abtrotzt, wird es wohl noch etwas länger dauern als in anderen Bereichen.

>» www.wastedorient.com