The Magnetic Fields – Distortion
Nach dem ersten Schock ist die Platte richtig gut. Die ersten drei Minuten des neuen Magnetic-Fields-Albums klingen, als hätten Dick Dale und The Jesus & Mary Chain den Auftrag zur Bildung einer großen Koalition erhalten; kurios vielleicht, mindestens so seltsam wie der Cheerleader-Chor, der zwischendurch „Threeway“ ruft… aber so etwas kann man sich ja heutzutage vom Co! Team borgen. Weiter geht’s gleich mit einer beachboysigen Hymne aus dem Bauch der frühen Sixties, doch was treiben die „California Girls“ hier?“They breathe coke/and they have affairs / with each passing rock star/they come on like Squares/ they get off like squirrels/l hate California girls.“
Bis zu diesem Zeitpunkt ist Stephin Merritt, der Pontifex Maximus unter den amerikanischen Pop-Päpsten, noch nicht als Sänger in Erscheinung getreten-als würde er auf seinem neuen Album irgendwo im Hintergrund wurschteln,an den Strippen ziehen, die bis in die Herzen dieser 13 neuen Songs reichen, oder an der nächsten Enzyklika (69 more love songs) arbeiten. Schön war’s. Auf „Old Pools“ erklingt dann endlich der Superbariton, auf den alle gewartet haben, fast zugeschüttet vom scheppernden Gitarren-Wall-Of-Sound, der auch im Folgenden die Hauptrolle auf distortion einnehmen soll. Der neue Merritt unterscheidet sich grundlegend von allen Magnetic-Fields-Alben.von den Aufnahmen mit den Gothic Archies, den 6ths und den Future Bible Heroes. Das hat einen einfachen Grund, der Maestro lässt verlauten,dass ihm diesmal nach einer Powerpop-Platte zumute war und einem erklärten Fan-Album:“Wir wollten, dass distortion mehr nach The Jesus And Mary Chain klingt als das Original“ Das ist ihm glücklicherweise nicht gelungen. Aber Merritt lässt seine Rock-Maschine hörbar arbeiten, als würden Rädchen und Hämmer für diese Musik benötigt, die ständig in Bewegung sind und eine Art von Industrial Sound produzieren. Feedback all überall, Feedback von der Gitarre, vom Piano,sogar das Akkordeon hat Merritt mit einem Mini-Verstärker am Balg zum Pfeifen bekommen, der Hall auf den Drums verdankt sich den gekachelten Wänden eines Treppenhauses mit 17 Stockwerken, indem es aufgezeichnet wurde. Nach knapp 40 Minuten distortion erinnert man sich aber auch wieder, warum Stephin Merritt ein viel größerer Songwriter als, sagen wir, Rufus Wainwright oder Conor Oberst ist. Keiner liegt so elegant in den Kurven seiner Lieder wie Merritt. Und wenn das hier vielleicht auch ein bisschen eine Beach-Boys-Platte sein sollte, dann eine, die Brian Wilson nie so witzig hinbekommen hätte: „I gotta get soo drunk to dream because I only dream of you“, singt Merritt im vielleicht schönsten Stück dieses dunkel glitzernden Albums. VÖ: 25.1.
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