Michael Hurley – Ancestral Swamp

Ob in absehbarer Zeit noch einmal ein Monatvergehen wird, indem Devendra Banhart nicht in einer meiner Kritiken auftaucht? Heute möchten wir Mr. Banhart in seiner Eigenschaft als Wertschöpfer und Legenden-Forscher würdigen. Auf Gnomonsong, dem Label, das der beliebte Moderator der weltweiten Freak-Folk-Community gemeinsam mit seinem Kumpel Andy Cabic (Vetiver) betreibt, ist gerade das Album eines alten Folk-Helden erschienen, eines Musikers, den selbst gut informierte Menschen schon in den Sex & Booze-Comics seines Alter Egos Snocko verloren wähnten. Aber Michael Hurley (65) ist noch einmal zu uns herabgestiegen, erspielt Gitarre, Fiedel, Banjo und Piano, er hat in den letzten sechs Jahren Songs für ein Album gesammelt, das nun die Hairy-Fairy-Bruderschaft mit Freude veröffentlicht, ancestral swamp ist eine weitere Lieder-Sammlung aus dem Hinterhof des ländlichen Amerika, aufgenommen an verschiedenen Orten, unterstützt von Holy Modal Rounder Dave Reisch und Portland-Freund Lewi Longmire (Bass), begleitet von Tara Jane O’Neill (Gitarre, Gesang) auf zwei Stücken. Ein typischer Snocko-Mix aus langjährigen Live-Favoriten und Coverversionen (darunter Blind Willie McTells „Dyin’Crapshooter Blues“, Lightning Hopkins‘ „Lonesome Graveyard“ und der Cowboy-Song „Streets Of Laredo“) sowie sechs Eigenkompositionen-allesamt Lieder, die das Leben ein bisschen langsamer machen, wenn Michael Hurley sie singt: „When l get back home/l don’t know where l’ve been“ („Streets Of Laredo“). Über 40 Jahre lebte Hurley dieses Nomaden-Leben, sammelte die Lieder seiner Folk-und Blues-Helden und sang seine Oden an Wollust, Weiber und, ja, Wein. In seinen kontemplativen Momenten tremolierte Doc Snocko über Sünde und Tod -meist nur begleitet vom Knarren und Zupfen der Saiten seiner Akustischen. Am erstaunlichsten aber ist, dass zwischen Hurleys erste Aufnahmen für das Folkways-Label 1964 (2002 über Locust Records auf dem Album blueberry wine wiederveröffentlicht) und diese neuen Lieder keine zwei Bierdeckel passen. Hurley dokumentiert auf jedem Album ein Stück der Straße, dass er in diesem Dunkelamiland zurücklegt, und nur die ganz normalen Spuren des Alterns auf den Stimmbändern zeugen von so etwas wie Zeit. Und weil es keine Major-Label-Hysterie und keine umfassende Retrospektive geben wird, bleibt Hurley, der alte Herzensbrecher und Hobo, auch in Zukunft der letzte unbesungene Held der amerikanischen Folk Music. Daran werden selbst Devendra, Andy und ihre Freunde nichts ändern. Und das ist gut so.

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