Across The Universe :: Sakrileg, Part II?

Gleich zu Beginn des Films hat man kurz Angst. Angst, all das, was man in knapp zwei Jahren über die verflixten Dreharbeiten und Streitereien über verschiedene Schnittfassungen zwischen Regisseurin und Studioboss gelesen hat, könnte stimmen, Across The Universe könnte ein Desaster erster Kajüte des gelben Submarins sein. Gleich zu Beginn, wenn das Counterculture-Musical mit mehr als 30 Songs aus dem Katalog der Beatles als Ouvertüre (kein Scheiß!) mit einem Potpourri beginnt, das zu den Bildern brandender Wellen mit einer Version von „Heiter Skelter“ kulminiert, wie sie auch Anastacia nicht scheußlicher schmettern könnte. Wo ist Charles Manson, wenn man ihn braucht? Fast fürchtet man, gleich kommen die Bee Gees um die Ecke und stimmen „Sergeant Pepper’s“ an. So weit kommt es zum Glück nicht. Und, oh Wunder, Across The Universe kriegt die Kurve, weil die Geschichte nicht durchs Universum, sondern durch die 60s streift und der Katalog von Lennon/McCartney leitmotivisch Eckpunkte einer Ära abdeckt, als sei er selbst so etwas wie eine verlässliche Zeitleiste. Da gibt es dann bei der Geschiehte vom Liverpooler Dockarbeiter Jude (!), der mit der braven Lucy (!!) im New Yorker Greenwich Village Freiheit, mit Drogenguru Doctor Robert (!!!) Bewusstseinserweiterung und mit Onkel Sam (hier keine Verwandtschaft mit einem Beatles-Song) Vietnam kennenlernt, viel Offensichtliches: Es gibt Figuren, die Sadie und Prudence heißen, Joe Cocker singt allen Ernstes „With a Little Help From My Friends“, am Ende wird „Hey Jude“ angestimmt. Aber es taucht immerhin keine Eleanor Rigby auf, und auf Querverweise auf die Blaumeisen wird dankenswerterweise auch verzichtet. Noch besser: Je mehr sich Julie Taymor vom Narrativen abwendet und allein auf ihre visuellen Stärken vertraut, desto mehr Leben kommt in den Film: „I Want to Hold Your Hand“ wird zu einer Hymne lesbischen Verlangens umfunktioniert, „I Want You“ ist der Soundtrack zur Army-Musterung, wie sie auch in the wall nicht anders aussehen würde, „Revolution“ ist eine wirklich coole Absage an Extremismus jedweder Form. Und die blutenden Erdbeeren an der Wand sind überhaupt der Hit. Der Film gewinnt. Weil er so unerschrocken sein Ding macht. Weil Jim Sturgess aussieht wie alle vier Beatles auf einmal. Und tja, weil die Songs gut sind. Und unkaputtbar.

Mit Jim Sturgess, Evan Rachel Wood, Joe Anderson u.a.

www.acrosstheuniverse.com