Tocotronic – Digital Ist Besser; Tocotronic – Nach Der Verlorenen Zeit; Tocotronic – Tocotronic;
Es ist einfach Rockmusik
Indie Rock: Zwei Tocotronic-Frühwerke und ein mittleres mit umfangreichem Bonusmaterial.
Die beinahe phobische Abneigung von Tocotronic gegenüber jeglicher nationalen Vereinnahmung in allen Ehren, doch es muss gesagt werden, dass die Veröffentlichung von Digital Ist Besser, 5 Sterne, im Jahr 1995 einen Wendepunkt im deutschsprachigen Pop markierte. Vorher gab es wenige ernst zu nehmende (Element Of Crime, Blumfeld), danach sehr viele Bands in Deutschland, die in ihrer Muttersprache sangen. Dieser zäh fließende Gitarrenrock auf Basis des amerikanischen Post-Hardcore der späten 80er-Jahre bekam natürlich auch durch seine Herkunft den Ruf des Besonderen. Schnell erhielten Dirk von Lowtzow, Jan Müller und Arne Zank den Segen der Pop-Intellektuellen, als neue Vertreter einer „linken“ Popmusik, jenseits von friedensbewegten Juso-Sommerfesten. Vielleicht überhörten die Jubler aber auch, dass das Politische an Tocotronic immer mehr eine Ahnung war als konkret formulierter Protest gegen „die da oben“, eher die Politik des Persönlichen, die sich in präzisen Beobachtungen des Alltags und in der Introspektion in den Texten von Lowtzows manifestierte. Freilich war das noch viel mehr auf der im selben Jahr erschienenen Mini-LP Nach Der Verlorenen Zeit, 4,5 Sterne, der Fall. „Gott sei Dank haben wir beide uns gehabt“ und „Ich mag dich einfach nicht mehr so“ gehören zu den schönsten Beziehungsaufarbeitungstexten, die in diesem Land entstanden sind. Rückblickend – und unter Kenntnis der „neuen“ Tocotronic – wirkt die Musik auf den beiden Frühwerken wie eine charmante Inszenierung des Unfertigen und ist insofern viel mehr künstlerisches Statement als Ausdruck irgendeiner „Authentizität“. Als Beginn der neuen Zeitrechnung bei Tocotronic gilt „das weiße Album“ Tocotronic, 5,5 Sterne, von 2002. Der LoFi-Indie-Rock wich hier der erhabenen Eleganz einer vereinahmungsresistenten, schillernden Popmusik, die mehr nach Cashmeremänteln als nach Adidas-Jacken vom Flohmarkt klang; die sloganisierten Texte machten einer zunehmend kryptischen, abstrakten und zauberhaften Lyrik Platz, die sich selbstbewusst ihren Interpretationen stellte. Die drei Wiederveröffentlichungen sind mit 23 Bonustracks ausgestattet: 7-Inch-Versionen, Liveaufnahmen (13 aus dem Hamburger Club „Heinz Karmers“ von 1994 und 1995 auf nach der verlorenen zeit) und „Hi Freaks“ im „Superpitcher’s Beautiful Freaks Mix“.
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