Jill Scott – The Real Thing: Words And Sounds Vol. 3

Sie hatte nie den ganz großen Hype einer Erykah Badu, Macy Gray oder India.arie zu verarbeiten. Niemand hat sie wegen ihrer Oberweite, ihrem Dutt oder irgendwelchem Tand bewundert. Jill Scott verkörperte die jazzverliebte Soulsängerin stets authentisch, deshalb kann sie jetzt auch mit einigem Stolz von sich behaupten, echt zu sein, „I’m the real thing in Stereo“, verkündet sie zu Beginn und muss dabei nicht den Vorwurf des Sensationalismus fürchten. Mit der dritten Auflage ihrer losen Albumserie stößt die Sängerin aus Philadelphia gefühlvoll und sanft in den intimsten Bereich des Daseins vor. ins Schlafzimmer nämlich. Sie geht auf Distanz zur Ansage amerikanischer Formathüter, die von schwarzen Musikern heute in erster Linie die flotte Tanznummer erwarten. Jill Scott liefert lieber Midtempo-Musik für das erotischeVorspiel und Balladen für Momente, in denen es richtig heiß wird. „My love is deeper, higher, sweeter, didn’t you know this“, fragt sie, fast auf einer Wolke der Sinnlichkeit entschwebend. Einen zärtlich umcharmenden Song wie „Insomnia“ hat man seit den Glanztagen von Anita Baker nicht mehr gehört. „Only You“ ist die reinste Liebeserklärung an den großen Unbekannten. Was nicht bedeutet, dass die Dame nicht auch kratzen und beißen kann. In „Hate On Me“ ist ihr Empörung klar und deutlich anzuhören. Mit dem „Celibacy Blues“ schmollt sie in der Single-Ecke, begleitet von altmodischem Gitarrenspiel. Das wird all jene Hörer erfreuen, die angesichts der Gefühlsüberdosis zwischendurch nach einer Atempause verlangen. Ja, Jill Scott hat ein Schlafzimmersoulalbum gemacht. Geradeheraus und direkt. Nicht die beste Referenz, wo man im Pop doch lieber umschreibt und zum Ausdruck von Trauer, Verzweiflung und Notstand neigt. Aber: Nur wer liebt, lebt auch.

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