Ratatouille :: Das große Fressen reloaded

Das eigentlich Großartige an Ratatouille, dem achten CGI-Animationsfilm von Pixar (und dem zweiten nach The Incredibles die unglaublichen, den Regisseur Brad Bird „drehte“, seit die Trickfilmschmiede im Disney-Konzern aufgegangen ist), ist nicht, dass er ein wunderbarer Film ist, von der ersten bis zur letzten Minute. Es ist auch nicht das Paradoxon, dass es eines im Computer entstandenen Abenteuerfilms über eine Ratte mit Gourmet-Ambitionen bedurfte, dass man sich nach einem Sommer voller Realfilme über neurotische Spinnenmänner, Piraten am Ende der Welt, abgehalfterte Cops im Zweikampf mit Harrier-Jets und Roboter in südkalifornischen Vorgärten als Kinogänger endlich mal wieder fühlen darf wie ein Mensch. Es ist auch nicht die Tatsache, dass hier jemand die Tradition des Geschichtenerzählens perfekt verinnerlicht hat, was es ihm ermöglicht, konventionelle Elemente geradezu traumwandlerisch mit unkonventionellen Ideen zu verbinden. Und es ist auch nicht der Fakt, dass es hier – kurz vor Schluss – den allertollsten Flashback in der Geschichte des Kinos zu sehen gibt. Das richtig Großartige an Ratatouille ist, dass es sich ein Film, der all das oben Genannte auf der Habenseite verbucht, auch noch erlaubt, ein echtes Risiko einzugehen.

Und zwar so: Landratte Remy isst lieber Delikatessen als Abfälle. Sein Vorbild ist der verstorbene Pariser Chefkoch Gusteau, in dessen Restaurant es Remy zufällig verschlägt. Dort verdingt sich dessen unehelicher Sohn Linguini ungelenk als Tellerwäscher. Der eine kann nicht kochen, der andere darf nicht. Als Linguini sich gezwungen sieht, doch an den Töpfen zu hantieren, wird er wie eine Marionette von Remy gelenkt, unter seiner Kochmütze, indem er an Linguinis Haaren zieht. Das ist so weit hergeholt, die Idee so grotesk, dass in diesem Moment mühelos der ganze Film über die Wupper gehen könnte. Von dieser einzelnen Szene hängt Gelingen oder Misslingen der gesamten Produktion ab. Es ist ein genialer Moment, weil man spürt, wie Ratatouille genau hier der Sprung gelingt vom guten zum überwältigenden Film, der einen daran erinnert, dass CGI zwar fotorealistische Animation möglich macht, der Trickfilm seine Daseinsberechtigung aber daraus bezieht, das Unmögliche möglich zu machen, die Fantasie zum Freiflug abzuholen. Bei Brad Bird fliegt man derzeit höher als bei jedem anderen Filmemacher.

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