Nick Drake :: Family Tree
28 unveröffentlichte Songs aus dem Familienarchiv der Drakes, aus der Wachstumsphase eines genialen Songwriters.
Es entbehrt nicht der Ironie, dass das „neue“ Album von Nick Drake mit einem Sticker im besten Amazon.com-Englisch ausgeliefert wird: „For fans of Elliott Smith, Bright Eyes, Sufjan Stevens“. Als ob die Platten dieser gerne gewürdigten Indiesongwriter beim Entstehen der 28 Tracks auf Family Tree irgendwie Pate gestanden hätten. 28 Songs: Das ist die andere, die entscheidende Information,die der Aufkleber verrät, 28 bislang nicht veröffentlichte Songs, alle aus den 60ern. Im Falle von Nick Drake, dem viel zu früh verstorbenen Einzelkind der britischen Pop-Romantik, darf man Erbsen zählen. Die Kollektion Made To Love Magic von 2004 enthielt genau einen bis dato übersehenen Song, die Legende will, dass es sein letzter war („Tow The Line“). Diese 28 Liedbeiträge Drakes nun stammen aus der Prä-Five-Leaves-Left-Ära, es sind Homerecordings (einige darunter von seinem Vater reel-to-reel aufgezeichnet), Songs, die während seiner Auszeit in Aix-en-Provence entstanden, und Stücke, die von Drakes späterem Arrangeur Robert Kirby an der Cambridge University mitgeschnitten wurden. familytree besitzt sicher dokumentarischen Wert, viel bedeutender aber ist die hervorragende Soundqualität, die all die mäßigen Bootlegs (Tanworth-In-Arden, Second Grace) komplett überflüssig macht. Den zwei hier enthaltenen Piano-Songs von Drakes Mutter Molly, die bisher nur in Film-Dokus zu hören war, kommt die Rolle einer Blaupause zu, man kann das in Drakes früher Piano-Version von „Way To Blue“ am Ende des Albums erstaunlich gut hören. Dann wieder Drake als Interpret der Folk-Community, derer nie angehörte: die Songs von Bob Dylan, Bert Jansen, Dave van Ronk und Jackson C. Frank versetzt er in sanfte Schwingungen, der Sprung aus den Blues-Schemata scheint nur noch einen Wimpernschlag entfernt. Der größte, erstaunlichste Beitrag dieses Album ist gleichzeitig sein kleinster und nur 32 Sekunden lang: „Come Into The Garden“, ein Fragment der Psychedelic-Ära, das später in einer verfremdeten Mini-Sinfonie seine Fortsetzung findet – Nick Drake im Garten des Delay. Vielleicht ist seine Schwester Gabrielle, die den besten Teil des liebevoll aufgemachten Booklets mit ihren Erinnerungen (und mit den Familienfotos) bestreitet, ganz nah an der Wahrheit, wenn sie sich vorstellt, wie Nick diese Kollektion früher Songs kommentieren würdemit einem trockenen Lächeln. Es sind Songs aus der Wachstumsphase eines Songwriter-Genies. Husch, husch also, Fans von Elliott Smith, Bright Eyes und Sufjan Stevens: Nick Drake wartet auf euch. Für alle anderen, für diejenigen, deren Einstieg in die Nick-Drake-Gemeinde vielleicht in die Zeit der ersten Everything-But-The-Girl-Platte fiel, gilt eh der Multiplikator zwei. Wenn wir gute vier Sterne vergeben, werdet ihr mit gefühlten acht Sternen in die Plattenhandlung eurer Wahl schweben, ihr Glücklichen.
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