Kanye West – Graduation

Vor Kurzem bat das größte Tonträgerunternehmen der Welt zum semiöffentlichen Hearing. Kanye West hat sein drittes Album angekündigt, und damit die Medienschar vorab davon Kenntnis nehmen darf, hat man einen international operierenden Angestellten mit einer CD losgeschickt, der die Musik an verschiedenen Orten der Welt je einmal vorspielt. Der arme Kerl heißt Matt Voss. Sein Name hat sich dem Rezensenten eingeprägt, weil auf besagter CD die ganze Zeit Kanye Wests laute Stimme ertönt, die sagt: „This CD belongs to Matt Voss“. Internetklau und so. Matt erzählt, dass die Platte noch nicht hundertprozentig fertig sei, aber man könne wenigstens elf Tracks präsentieren. Nachdem man von Late Registration außerhalb Nordamerikas etwa 1,5 Millionen Exemplare verkauft habe, sollte der Nachfolger bewusst europäischer klingen. West selbst hat in diesem Zusammenhang ja bereits verlauten lassen, dass seine neue Musik mit Hip-Hop nicht mehr so viel zu tun habe. Da kann der Rezensent den Fan aber beruhigen, denn das Album hat immer noch sehr viel mit HipHop zu tun. Es enthält Beats und Reime, echte Samples(das von Steely Dans „Kid Charlemagne“ erkennt man auch ohne Nachschauen) und solche, die West im bekannten Stil gepitcht hat. Auch der im Genre häufig zu beobachtende Hang zum Prahlen tritt zutage („We go through too much bullshit to mess with these drunk and hot girls“). Europäischer klingt Graduation streckenweise aber schon. Zum Beispiel an der Stelle, wo die Trauerweide von Coldplay Laut gibt. Darüber hinaus ist Kanye West bei Reisen durch unseren Kontinent wohl auf Unmengen von Synthesizersounds gestoßen. Das Album ist voll davon. Manchmal hören sich die maschinell generierten Töne so an, als hätte West mit diesem Material, das er bescheiden als seine „Dissertation“ bezeichnet, kleine Sinfonien im Kopf gehabt. Oder zumindest HipPop mit der Grandeur von Depeche Mode. So ganz möchte man sich da aber nicht festlegen. Matt Voss ist nach seinem Kurzauftritt nämlich wieder abgereist. Mit der CD in seinem Koffer. Und wir haben, was wir eigentlich nicht haben wollen: eine Kritik unter Vorbehalt.

www.kanyewest.com