Herbie Hancock – River: The Joni Letters :: All That Jazz

Joni Mitchell hat es den Interpreten ihrer Songs eigentlich nie leicht gemacht. Obwohl ihre Pop-Balladen fast vor melodiösem Labsal überquellen, sind sie doch so reich an Zwischentönen aus Country und Jazz, dass man mit ihnen fast wie mit rohen Eiern hantieren sollte. Einer, der das Vokabular dieser feengleichen Sirene aus dem Effeff kennt, ist natürlich Herbie Hancock. Seit dem ersten Studio-Zusammentreffen anlässlich der Hommage an den Bassisten Charles Mingus im Jahr 2979 haben sich beide immer wieder zu Aufnahmesessions getroffen, um mal in den Standard-Kosmos von George Gershwin einzutauchen und ihre Karriere wie mit dem Doppelalbum Travelogue Revue passieren zu lassen. Dass Herbie Hancock jetzt bei seiner Joni-Mitchell-Retrospektive nicht auf die singende Autorin solcher Perlen wie „Court And Spark“, „Both Sides Now“ und „River“ verzichten musste, kann man als Freundschaftsbeweis, aber auch Absegnung dieses Tribute-Albums interpretieren. So entspannt und doch so eindringlich Mitchell mit Hancocks Quintett feat. Wayne Shorter und Dave Holland durch „The Tea Leaf Prophecy“ schlendert, so treffen die vier ausgewählten und unterschiedlichen Sangeskolleginnen beim Mitchell-Oden gleichermaßen mitten ins Schwarze. Norah Jones fühlt sich in der kammermusikalischen Jazz-Ruhe von „Court And Spark“ mit seiner latent erdigen Aura pudelwohl. Die Brasilianerin Luciana Souza („Annelia“) und die Engländerin Corinne Bailey Rae („River“) kosten die Zartheit mit klug inszenierter Gedankenverlorenheit aus. Prima inter pares ist jedoch Tina Turner (!), die aus dem Song „Edith And The Kingpin“ ein soulig-intensives Kunstwerk macht. Dass am Ende Leonard Cohen mit magisch sonorer Stimme den Erzähler in „The Jungle Line“ gibt, ist zwar originell. Aber das poetische Herz-Rhythmus-System Joni Mitchells spiegeln da selbst die beiden Instrumentalversionen von Duke Ellingtons „Solitude“ und Wayne Shorters „Nefertiti“ besser wider.

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