Sioen – A Potion

Im Land der gelb leuchtenden Autobahnlaternen soll Frederik Sioen ein großer Star sein. Wir wollen das gerne zur Notiz nehmen, um unser Belgien-Wissen über Comics, Fritten und Kindermörder hinaus aufzufrischen. Belgien ist natürlich auch das Land, aus dem dEUS und Jacques Brei kommen. Hooverphonic nicht zu vergessen. Man darf an einen Musiker namens Biack (Turn Loose The Idiots, 1995) erinnern, der fast so gut wie Beck (am Anfang) war. Nach Biack also Sioen: ein Singer/Songwriter aus Cent, der seine spröden Dramen als Piano-Pop-Pieces vertont. Manchmal bleiben diese Songs ganz klar und reduziert (wie zum Beispiel beim Titelsong zur Albumeröffnung), zwischendurch fährt Sioen einen Kammerrock-Verein ins Studio, der Flöten und Violinen und Synthesizer mitgebracht hat. Diese Platte gewinnt mit den Songs: Über den Großteil von A Potion beweist der Belgier, dass er eine eigene, düstere, blumige Duftnote zu hinterlassen weiß, in seinen Liedern geht es um die bösen Träume, die lieben Drogen, die große Freiheit und – holla – einen herrlichen „Suicidal Sunset“: „I take the gun in both hands / I count the bullet with a smile / today I’m going to be remembered / as a fool who embodies the disease of our time.“ Ob man das nun als Kurt-Cobain-Gedächtnissong lesen mag oder eine gefährlich selbstmörderische Fantasie? Sioen hinterlasst den Hörer mit einem Päckchen schwerer Bilder und Gedanken, er malt mit seiner Stimme schon wacklige Kreise. Anders lautenden Einschätzungen wird hier widersprochen, er ist glücklicherweise nicht Belgiens Antwort auf den aktuellen Langweiler Nummer eins, Rufus Wainwright. Einmal musste ich aber an Louis Tillen denken, einen Blues-Mann, der seine Dämonen aus dem Alkohol fischte: Wie Sioen in „Communicate“ das Piano perlen lässt, das ist Tillett. Die Laternen leuchten tieforange auf diesem Album. Nein, sie leuchten nicht, sie flackern.

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