Os Mutantes – Live At The Barbican, London 2006

Fragezeichen. Natürlich stehen über dieser Platte die drei???, die jede noch so gutgemeinte Reunion begleiten. Selbst frischgebackene Fans der brasilianischen Psychopop-Wunderkinder werden einen sanften Grusel bei der folgenden Ankündigung verspürt haben: Nach 30 Jahren Sendepause ruft Sergio Dias Os Mutantes als Live-Band wieder ins Leben – mit seinem Bruder Arnaldo Baptista, ohne Sängerin Rita Lee, freundlich unterstützt beim Barbican-Auftritt von Devendra Banhart und Noah Georgeson. Wunderlich, dass das deutsche Publikum erst mit der Nase auf Os Mutantes gestoßen werden musste, seht her, das ist die Haus-Band der Tropicalia-Bewegung, die „Kinder“ von Psych, Beat und Veloso. Os Mutantes waren von 1968 an maßgeblich an der Erschütterung der alten Samba-und Bossa-Gewissheiten beteiligt, sie transportierten Folklore in Zusammenhänge, die wir heute Pop nennen. Sie spielten das brasilianische Publikum mit ihren weltoffenen Hybriden fast schwindelig-auch das ein Beitrag zum Widerstand gegen die Militärdiktatur. Und heute? Live At The Barbica ist eine richtige Live-Platte für Erwachsene geworden, die Fans klatschen, als holperte der späte Buena Vista Social Club noch einmal auf die Bühne. Und „Panis Et Circensis“ die sagenhafte Veloso-Gil-Mutantes-Gemeinschaftsarbeit aus dem Sommer’68, steht auch im Session-Sound von 2007 noch wie ein Klassiker da. Dass sich dieses Konzert, jetzt auf CD und DVD veröffentlicht, wie eine Produktion aus der Großraumdisco anhört, nicht ganz von gestern, nicht von heute, mehr wie ein World-Musical vom Planeten Os, ist verzeihlich. Mit dieser Live-Platte dürfen Os Mutantes noch einmal in eine neue Umlaufbahn treten, an ihre Heldentaten erinnern. Sucht die Originale, die ersten beiden wiederveröffentlichten Alben Os mutantes (1968) und Mutantes (1969), das ist moderne Musik, Kinder. Ausrufezeichen.

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