Diverse – Punk: Attitüde :: Anarchisten und Antichristen

Warum sind Dokumentarfilme, die ein ganzes Musikgenre abhandeln, oftmals so dröge? Weil die Macher völlig unkritische Fans sind etwa, weil als Zeitzeugen nur Drittligisten verfügbar sind, und weil das großspurig als rar angekündigte Archivmaterial schon in 14 anderen Dokumentarfilmen zu sehen war. Regisseur Don Letts vermied diese Fehler, wo er sie vermeiden konnte: Seine Interviewpartner haben wirklich etwas zu sagen, sei es New York Doll David Johansen, seien es die Buzzcocks Howard Devoto und Pete Shelley, sei es Jello Biafra, )ohn Cale, Thurston Moore, Captain Sensible, Paul Simonon, Henry Rollins oder Wayne Kramer. Archivmaterial ist selten, doch man spürt Letts Bestreben, auch was fürs Auge zu bieten. Dass die mitunter wirklich raren Aufnahmen nur stark gekürzt verarbeitet wurden, ist allerdings bedauerlich, alles andere aber hätte den Rahmen womöglich auch gesprengt. Mitsamt der Bonus-DVD kommt PUNK: ATTITÜDE ohnehin schon auf eine Spielzeit von 224 Minuten. Gut angelegte Zeit, denn anstatt dem leider üblichen und meist komplett überflüssigen Making Of widmet sich die Bonus-DVD der Vertiefung mancher Aspekte, die im Hauptfilm nur am Rande erwähnt werden. Fanzines etwa, Plattenfirmen, oder auch die Verbindung zwischen Punk und Kunst. Was pun K: attitude letztlich so sehenswert macht, ist nicht nur die inhaltliche Fülle und Seriosität, sondern die eigentlich schlichte Tatsache, dass Letts auf eine genretypische Inszenierung verzichtet. Keine Zwischentitel in Never Mind The Bollocks-Typographie also, keine Klischees, keine eitlen Superlative und Marktschreiereien, die bei Rock-Dokus so beständig nerven. Das hier ist professionelle Aufarbeitung von Musikgeschichte, und falls das jemandem zu wenig aufregend erscheint, fügen wir noch die Adjektive spannend und lebendig hinzu. Wer schon Punk war, als die Ramones noch um einen Plattenvertrag bangten, erfährt hier womöglich nicht allzu viel Neues, darf sich aber zumindest über die Interviews mit den alten Helden freuen. Wer aufgrund der Ungnade der späten Geburt, aufgrund von falschen Freunden oder eines erst zart knospenden Bewusstseins für gute Musik bislang der Meinung war, Blink 182 hätten irgendetwas mit Punk zu tun, dem wird hier nett, aber bestimmt klargemacht, dass da ein Irrtum vorliegt. Das gilt allerdings auch für Ewiggestrige, die meinen, dass nach 1981 nur noch kalkulierter Kommerzdreck erschienen ist. Die Welt ist eben voller Missverständnisse. Punk: Attitüde hilft dabei, einige davon auszuräumen.

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