Interpol – Our Love To Admire :: I felt you so much today
Worin liegt ihr Geheimnis? Dass Interpol Meister der Inszenierung sind, dass ihre ungeheure formale Strenge einen Mythos bedient, in dem sie Joy Division vielleicht sogar noch näher stehen als in der Stimmenähnlichkeit von Paul Banks und Ian Curtis – das ist bekannt. Aber der Mythos schlüpft nicht mitunter den Kopfhörer. In der Konzentration auf die Musik finden wir im Gegenteil ein Album vor, das nackter als nackt da liegt, wie zur Sezierung präpariert. Nehmen wir uns doch gleich den Kopf, den epischen Opener „Pioneer To The Falls“ vor. Ton für Ton, Akkord für Akkord werden wie zum Mitzählen gezupft (Akkorde sind es drei). Die Gitarrenlinie, die Harmonika und Banks dramatisch niederschmetternder Gesang fließen eng beieinander, überdecken sich jedoch nicht. Selbst wenn der stoische Beat zur bittersüßesten, von Eno-Keyboards eingehüllte Bridge ins Marschieren gerät, erhöht sich der Pulsschlag kaum. Schließlich singt Banks die Zeilen „Show me the dirt pile and I will pray/That the soul can take/Three stowaways /In a passion it broke and pull the black from the gray/But the soul can wait/I felt you so much today“ in das Break hinein. Die Band verstummt für einen Augenblick. Endlich, hier, für diesen Moment, für den Nirvana die Explosion erfunden haben, erheben sich Interpol zu einer cinemascopischen Projektion der ewigen Grundakkordfolge. Herrliches Pathos! Die volle Ladung… Schnell, allzu schnell können wir uns diesen Song (und alsbald die anderen zehn: hier noch mit einem zusätzlichen Klavier, da mehr Tempo …) erklären. Unser Tafelbild zeigt: Es ist diese Strenge, es ist das Break und diese Bridge, erhabener als jeder Refrain, in denen sich der Song zu seiner ganzen Größe erhebt. Der Rumpf ist entkernt, das Innere gelesen, noch bevor das Lied verklingt. Und doch rührt einen „Pioneer To The Falls“ noch im 20. Durchlauf an (und die anderen zehn Lieder tun das auch), schlägt tief in einem Saiten an, zweite, dritte Stimmen im Gemüt. Mit Echos über Stunden. Die ganze Seziererei, so steht zu befürchten, bringt hier nichts. Was wir suchen, ist eine Seele. Doch die können wir nicht suchen. Nicht finden. Nur fühlen: Interpol haben sie.
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