Björk :: Volta

Weiterhin ausdrucksstarker und freiheitlicher Pop, auch dort, wo Björk auf Muster zurückgreift.

Lesen mag man nicht mehr alles, was Björk hinausposaunt in die Welt über das Konzept X zur Platte Y. die ungemein befruchtende Zusammenarbeit mit diesem und jenem, der ungeheure Einflüsse aus dem Soundso-Kulturkreis, der Szene da und dort mitbrachte. Und dann sind da noch die Kommentare zu Fragen der Religion, Technologie, Globalisierung und sonst manchem Thema, welches bitte jeweils so gewichtig zu sein hat wie der Erdenball selbst. Die gibt’s obendrauf-als Erläuterung ihrer dergestalt aufgeladenen Texte, die jedoch noch nie das beste Argument für Björks Talent waren. Die aber dennoch und vor allem dann am besten wirken, wenn sie frei von Untertiteln aus der Perspektive des von all der Gewaltigkeit der Welt angerührten und durchwirkten Wesensgesungen werden, welches die Worte selbst erst zu begreifen,ja manchmal erst zu erfinden scheint. Björk vermag das. in ihren besten Momenten. Ihre Gesänge auf volta wirken jedoch zuweilen ein wenig ziellos und gerade darin seltsam obligatorisch. Sie hat abseits von dem, was wir hierunten Pop nennen, längst ihre eigenen Wege gefunden, auch fast strukturfreie Stücke in Formen zu gießen. Doch gerade dort, wo uns Improvisation versprochen wird, zieht sie ihre Bahnen wie im Ritual, greifen Flugmuster. Das wieder festere und rhythmischere Album volta zeigt: Björk tut sich und uns meist einen Gefallen darin, sich an Songs und vorallem klareren harmonischen Strukturen zu halten-nicht nur deshalb, damit wir das, was sie macht, hierunten wieder Pop nennen können. So weit wollen wir gar nicht gehen. Weil ein Timbaland-Beat bei Björk im gelungenen Extremfall ohnehin kein Timbaland-Beat bleibt, sondern polyrhythmisch neu zusammengesetzt wird. Weil das anfangs geradezu Musical-verdächtige, majestätische Duett „Dull Flame Of Desire“ mit Antony Leidenschaftsbekundung für Leidenschafts bekundung der beiden weiter entrückt. Weil die versteckten Hooklines mancher Songs uns nicht gleich bei der ersten Begegnung zwischen die Zähne bekommen. Weil bei ihr dunkle Elektronik richtig böse werden kann, bis zurentstellenden Verzerrung („Declare Independence“-ein auch textlich ungewohnt explizites Stück Selbstbehauptung), volta ist nicht Björks beste Platte. Nicht alle Elemente stoßen hier im Zustand größter Offenheit und Beseeltheit aufeinander. Manches spaziert eher nebeneinander her. Und doch ist volta voll derschönsten Klänge (viele erhabene [zum Teil von ihrem Soundtrack drawinc restraint 9 recycelte] Bläser, die edle Selbstverlorenheit der klassischen chinesischen Pipa, Trommeln aus Rhode Island und Afrika, ein Schiffshupenchor und so weiter), des noch in den stillsten Momenten gewaltigen Ausdrucks, der puren Musik.