Herbert Grönemeyer – 12

Auf dem kommerziellen Niveau Herbert Grönemeyers keinen totalen Blödsinn zu produzieren, ist ein Luxus-Problem, das man aushalten können muss. Er ist der Bundespräsident, ach was, der Jürgen Klinsmann der deutschen Popmusik; niemand sonst könnte diese Schuhe tragen. Natürlich ist die Frage, ob man so ein Phänomen wie Crönemeyer überhaupt braucht. AberfüreinenSuperstarder „Wetten dass“-Wohnzimmerbewohner macht er seine Sache außerordentlich gut. Crönemeyer parodiert auf seinem neuen Album mal wieder scheinbar seine Parodisten. Er tut dies zu Musik, die oft so langweilig amtlich und auf der Höhe der Zeit ist, dass man sich stellenweise wünscht, die Welt wäre ein Westernhagen-Live-Bootleg von 1997, Die Streicher; breit wie der Horizont. Die Beats: kühl, streng, oft getupft. Der Sound unter dieser deutschesten aller Stimmen: irre international. Doch die Liedersind oftstärkerals ihr Klang, und immer wieder kann Grönemeyer überraschen. „Stück vom Himmel“ kennt (fast) jeder: Anfangs noch hohle Matsch-Skulptur, kriegt es die meisten irgendwann mit dem patentierten Grönemeyer-Moment: einem Moment, in dem ein sehr deutscher Mann (der sich dieses Deutschseins bewusst ist) an etwas ganz Großem kratzt. Dergesunde Menschenverstand, in teutonischen Poprock gemeißelt, und dasganze Land, die Spießer im Schrebergarten, die Taxifahrer-Armeen und die Milchkaffeetrinker in den Großstadtcafes, werden gemeinsam klein dazu. Schon toll, im Ernst. Danach geht es weiter mit dem modernen Stoiker-Elektropop von „Kopf hoch, tanzen“ – und wieder schafft es Grönemeyer, einer modernen Verlorenheit eine allgemein verständliche Stimme zu geben: „Wer erinnert dich, wenn du uergisst. Wo sitzt man zwischen den Stühlen?“ fragt er. Und. fast schon vergessen -Humor hat er ducb:“Warum gibt’s dein Lächeln nurextra -denn du ttüsstso wunderbar deutsch“.

Die erste Ballade „Du bistdie zwingt Deutschland auf die Kuschelmatte einer etwas zu modern eingerichteten Wohnung. In „Flüsternde Zeit“ dann geht’sden Mächtigen ans Leder: Herbert Grönemeyer, einmal zu offensichtlich, wählt tatsächlich Fußball-Metaphorik, um es den deutschen Politikern zu zeigen: „Aber ihr – ohne Idee im Abseits. Ihr spielt nur zum Schein, lasst uns hinten allein“. Urgh, hätte wirklich nicht sein müssen. Den Prunkseinergroßen Konsensschaukel mensch erreicht er hier zwar nirgendwo so ganz, aber es gelingen ihm auch auf 12 wieder etliche berührende Momente. Grönemeyer ist dann am besten – und tatsächlich einmalig -, wenn er es schafft, Konsens-Befindlichkeiten eine Stimme zu geben, die nicht nach dummer Pflicht oder billig oder anbiedernd klingt. Und in ganz schwachen Momenten möchte man manchmal fast stolz auf ihn sein.

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