Fehlfarben – Handbuch für die Welt

Die besten Düsseldorfer der letzten siebenundzwanzigeinhalb Jahre finden den Sound of Anderssein.

Wahrscheinlich wird Peter Hein in Wien gar nicht alles von dem mitbekommen, was im Namen der „Systemkritik“ und der „Rechtschreibung“ in diesen Wochen über die neue Fehlfarben verbrochen wird, in Feuilleton und Fachzeitschrift. Herr Hein hat ja Düsseldorf verlassen, hört man, und man stelle sich vor, die Fehlfarben müssten jetzt im Donaudampfschiff mit Andre‘ Heller Programm fürs vergnügungssüchtige Volk machen-das wäre eine „Traurige Geschichte“, um die Band der Bands, die besten Düsseldorferder letzten siebenundzwanzigeinhalb Jahre zu zitieren. Aber Fehlfarben sind ja „Anders geblieben“: „Wir haben uns über Deutschland beschwert/ haben uns mal selbst bei John Peel gehört/Für uns war Privatisierung verkehrt / Wir haben uns gegen den Abstieg gewehrt“, so geht das dritte Fehlfarben-Album der neueren Zeitrechnung los. Und wenn Hein“/G und wir sind anders. anders geblieben“ singt, rutscht einem das Rest-Herz in die Hose, so kann doch keiner singen. Der Gevatter macht’s. Das schönste Entsetzen, Hochachtung! Moses Schneider hat den klaren, harten Mix hingekriegt, den diese Band braucht, die Wort und Riff mit unbehaglichem Nachdruck ausstößt. Die beste Botschaft: Fehlfarben wollen Privat- und Politmüll immer noch nicht ordentlich trennen. Nach diesem ersten Lied, nach dem gepfefferten Beat von Saskia von Klitzing und den unruhigen Gitarrenbohrarbeiten von Jahnke und Schwebel ist der Boden für das bereitet, was Fehlfarben aus ihrem Hier und Jetzt senden: Hilferufe. Veständigungsschwierigkeiten. das Nicht-einverstanden-Sein. Oder auch ein Liebeslied: „Das schöne Herz“ mit davonlaufendem Piano und Heins knospendem Maien-Text [„doch wenn ich küsse deinen Mund /so werd ich ganz und gar gesund“]. Ein Hit, ein Hit: „Politdisko“, der Partyrockknaller mit dem rundumschlagenden Hein, der alles von den Superstars bis zu den Waffengeschäften mitnimmt, auf einen Dancefloor, der eher von Maschendraht als von Menschen umgeben ist. Fehlfarben können nach knapp drei Jahrzehnten an den Monumenten kratzen, die sie selbst geschaffen (Punk) haben, ohne der Koketterie überführt werden zu müssen. Handbuch für die wWlt ist ein guter Titel für eine Band, die „Sprach los“ dem Fegefeuer entgegentreibt, ganz gut im „Kreise reden, kein Ende finden“, die Gitarren schnarren, den Beat haben sie irgendwo bei sich selbst geklaut. Doch das haben wir vergessen, „Es gibt immer ein Morgen“. Chor, Auftritt: „Egal, was auch geschieht/ mit dir. mit mir/ Wir haben schon so viel gekriegt /und sind noch hier“. VÖ. 20.4. >» www.fehlfarben.com