The Rakes – Ten New Messages

The Rakes sind eine zwielichtige Band,aufdie man leicht hereinfällt: Wie die Paddingtons waren sie Nachzügler der Londoner Whitechapel-Szene, also hielt man sie (bei dem Namen!) für noch eine Crack-Party-Rabaukenband. Die Single „Strasbourg“ schien den Hang zur bewusstlosen Verausgabung zu bestätigen-ein haltloser Rumpelpunkknaller mit absurdem Abenteuertext, den man bis zur Erschöpfung und ohne Abnutzung immerwieder hören kann und will, bis heute, wo ihn entsprechend Disponierte längst in der Liste derfünf größten Singles aller Zeiten führen. Das gleiche Phänomen ganz anders auf dem ersten Album: Da erfanden sie den unterkühlten 8oer-Wave-Pop neu, entwarfen Situations- und Weltszenarien, die atomgenau trafen, verpackt in diamantene Melodien und eine unwiderstehliche Mischung aus Coolness und Verzweiflung, und plötzlich waren sie das fünfte Rad am New-New-Wave-Turbogleiter. Fein unterschätzt, könnte man sagen: Beide Szenen halb bis ganz vergessen, die Platte der unscheinbaren Randband läuft weiter, und immer noch hat niemand was gefunden, was daran nicht toll wäre. Vielleicht kommt das zweite Album unter diesem Aspekt zu früh, was (wieder mal) das erste Hören zu bestätigen scheint: Das klingt entspannter, wenigerradikal, wenigerschwankend zwischen Extremen-zugleichaber(abdem zweiten Hören) gewagter. Ein Seiltanz zwischen genüsslich-unbewusster8oer-Nostatgie (inklusive Zaunpfahl-Blinzeln in „Trouble“, das wie eine Xeroxkopie von Billy Idols „DancingWithMyself“ anfängt-reingefallen!) und den Abgründen derSupermoderne, die die Rakes nicht mit Krachorgien „verarbeiten“, sondern mit kalt-grellem Neonlicht ausleuchten, getrieben von hypnotisch-monotonem Schlagzeug, brutal-schönen Riffs(die man „metallisch“ nennen wollte, wenn das nicht zu komplett falschen Assoziationen führte) und Melodien,die Herz, Hirn und Bauch packen. DerVersuchung, alles zuzumauern mit immer noch mehr Tönen, Anspruch, „Ideen“ (wie das Bloc Party passiert ist), haben sie widerstanden: Ihre Songs tänzeln und taumeln auf langen, nackten, schlanken Beinen, sexy, fragil und souverän, scheinbar ständig an der Grenze der eigenen Fähigkeiten, wie eine manische Menschmaschine, bei der alle Schrauben locker sind. Und dazu Alan Donohoes typische Gesangsmelodieführung, die immer wieder aus der Eleganz ausschert und in Verwirrung und Verzweiflung hineinschrammt-gerade so, dass man ahnt, was da lauert, es aber nicht greifen kann, was die Wirkung seiner zwischen Sarkasmus und Empathie ambivalierenden Texte immens erhöht: DerTanz in den Abgrund macht grimmigen Spaß. In mildererund zugleich geschärfter Form ist so auch das zweite Album, was schon das erste war: ein seltsames, enorm reizvolles Paradoxon -Musik, mit der man sich wohlfühlt, weil sie einen beunruhigt. VÖ.23.3.

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