Julia Blackburn :: Billie Holiday

Unkonventionell angelegter biografischer Versuch über die vielleicht größte, sicher aber tragischste Sängerin des Jazz.

Ihr zu kurzes Leben war voll von dem Stoff, den Illustrierte, Buchautoren und Drehbuchschreiber lieben. Von der Kindheit in den Slums von Baltimore über die wilden Jahre zwischen Rotlichtmilieu und Jazzclubs in Hartem bis zum großen Ruhm und elenden Ende, zwischen Prostitution und Politik, tiefster Drogensucht und größter Kunst gibt es in der Vita der „Lady Day“ vieles, was zu erzählen mehr als wert ist. Kein Wunder, dass sich nicht nur unzählige Biografen, sondern auch Hollywood darauf gestürzt haben. Und schade, dass sich vor allem die (von einem zwielichtigen Ghostwriter verfasste) Autobiografie“.Lady Sings The Blues und der auf ihr basierende Oscar-prämierte Film herzlich wenig um so etwas wie die Wahrheit geschert haben. Um die endlich ans Licht zu bringen, führte in den 70er-Jahren die junge Autorin Linda Kuehl Tonbandinterviews mit über 150 Zeitzeugen, von denen viele Billie aus nächster Nähe kannten. An dem Projekt, daraus die wahrhaftige Biografie der Sängerin zu machen, scheiterte und zerbrach Kuehl: im Januar 1979 nahm sie sich das Leben. Die britische Schriftstellerin Julia Blackburn versucht aus dem hinterlassenen Material ein Porträt der Jazzdiva zu formen, indem sie die wichtigsten Interviews verdichtet wiedergibt und aneinanderreiht. Dabei ist keine der üblichen Musiker(-innen)biografien entstanden, sondern eine streckenweise packende Mischung aus Porträt, Sozialreportage und Anekdotensammlung in der Tradition der für den Jazz so wichtigen ..Oral History“, die einiges erzählt, was sonst zu kurz kommt: über das unglaubliche Leben im Harlem der 30er- und 40er-Jahre, Rassismus, Jazz, Sex und Drogen und die schmutzige Rolle, die das FBI in all dem immer wieder spielte. Faszinierend und oft bestürzend.