The Singles von Albert Koch

Die steigen ganz schön ein. Die starten gleich ganz schön durch. Die geben ganz schön Gas. Die fackeln nicht lange und fahren gleich auf die Überholspur.“.Drive“ lOut Of Line/SPV] heißt die neue Single von Client. Verstehen Sie?“.Drive“? Einsteigen? Durchstarten? Gasgeben? Überholspur? Das sind Metaphern aus der alten Schule des gehobenen Journalismus. Die Single gibt s in zwei Konfigurationen mit insgesamt neun Tracks. Da kann man nicht meckern. Überhaupt nicht.“.Drive“ ist jetzt schon ein Elektro-Pop-Hit, circa New Order, mittlere ooer-Jahre. DerNon-Album-Track“.Im Lost“ klingt dann eher wie Client, circa 2003. Beiden Remixen ist der „Lexy & K-Paul RMX“ der große Gewinner: Die beiden Berliner machen aus dem Song einen schön spooky minimal-housigen Track. Auch nicht schlecht: „Drive Dobro lovemix Igtr onel By Boosta“, so eine Art Country-Elektro-Blues mit gesampelten, zerhackten akustischen Gitarren.

Ein“.smarter kanadischer Womanizer“ ist Shawn Desman, erklärt uns das Presseinfo. Ein R’n’B-Shootingstar ist Shawn Desman, einer, der ohne Album-Veröffentichung und Top-ioo-Hit in Deutschland hiesige Clubs und Diskotheken locker ausverkauft und vor 4000 ekstatischen Menschen performt. Einer wie Shawn Desman gibt keine Auftritte, er performt. Desmans..Shook“ IZyx] klingt, wie wenn sich Michael Jackson an einer Coverversion von“.IndependentWomen iPart 1]“ von Destiny’s Child versucht. Und scheitert. Kläglich scheitert.

Alte Bonmots der Rockgeschichte recycled und auf andere Stilrichtungen übertragen: Soul ist nicht tot, er riecht nur ein bisschen komisch. Fleur Earth Experiment aus Köln spielt auf „Ahnen“ iD’Akkord Records], G-funky, zeitlupigen Soul, der sich schon unterscheidet vom formatierten“.deutschen Soul auf internationalem Niveau ™, aber trotzdem ein bisschen komisch riecht.

Quintett aus Brooklyn covert mithilfe von Menschen von Architecture In Helsinki. Currituck Co, Calexico und Lambchop Songs von Grin. Trader Hörne, John Cale und Kevin Ayers. Gute Idee. ..HereComes The Rain EP“ [Green Ufos/ Hausmusik/Indigo] von The Ladybug Transistor ist traumwandlerischer Kammer-Indiepop. Oder.- Belle & Sebastian treffen Arcade Fire zur Jamsession an der Ecke McDougal und Minetta in Greenwich Village in New York.

Bleiben wir noch ein bisschen bei arkadisch-feuriger Musik. Lavender Diamond aus Los Angeles spielen auf „The Cavalry Of Light“ (Rough Trade] so einen psychedelischen, akustischen Folk. wie man ihn heute wieder so gerne hat. Zwischen lieblich IStreicher-larrangiert und Gasgeben auf der Überholspur. Sängerin Becky Stark singt wie jemand, der zu viel Kate Bush, Sandy Denny und frühe Grace Sück gehört hat, wenn Sie sich darunterwas vorstellen können. Wenn Sie sich nichts darunter vorstellen können, singt sie trotzdem so.

Wo bleibt denn die neue, geile Single der Kaiser Chiefs Of Leeds mit den geilen, heißen Remixen? Weg bleibt sie. nehmen wir also das hier: Aus schönem, hellblauen Vinyl ist die aktuelle 7-lnch von Of Montreal aus Athens, Georgia, hergestellt -..von 01Montreal aus Athens, Georg/a „klingt ein bisschen doof, hat aber durchaus was, oder? Auf jeden Fall ist mir nichts Besseres eingefallen. „Shes ARejecter“ (Polyvinyl/Cargo) klingt nachsemi-manischem, elektrifiziertem, psychedelischem Folkpop. Achtung: Die Single muss „auf 33“ abgespielt werden. „Auf 45“ klingt sie doof.

Ziemlich großartig anzuhören, wie sich durch „Not Exactly“ IStaatsakt/lndigol der Berliner Band Ragazzi die schleimige Spurvon diversen 70er-Jahre-Gefühlsrockern zieht, auf der nicht einmal das alte Boogie-Schlachtross Status Quo ausrutschen kann. Lassen Sie sich nicht durch das kurzzeitige Vintage-Synth-Gefiepse am Anfang des Liedes irritieren, das hier ist großartiger, kantiger Westcoast-Hauptstadt-Poprock, der sich gewaschen hat.

Der alte Screaming Tree Mark Lanegan tanzt in letzter Zeit auf sehr vielen Hochzeiten, gell? Beim im März kommenden Album der Soulsavers hat Lanegan 8/12 der Songs gesungen. Zwei davon,“.Kingdoms Of Rain“ IV2/Rough I Trade], sind auf dieser Single zu hören. Schön, wie sich Lanegans ultratiefe Stimme in diesem gänsehautigen Ambient-Dark-Folk-Blues-Song macht. „Jesus Of Nothing“, die B-Seite, ist dann ein dunkler Psych-Folker mit orientalischer Rhythmik. Sensationell, sensationell.

Der Mainstream-Pop, hat ein schlauer Kopf, dessen Name mir gerade entfallen ist. einmal sinngemäß gesagt, sei die perfekte Produktion von perfekter Musik, die kein Mensch braucht. Wir schließen uns dieser Definition an und wenden uns Gwen Stefani zu. Mit naivlicher Quieksstimme singt sich Stefani auf ihrer neuen Single „The Sweet Escape’IUniversall durch einen perfekt produzierten Sixties-Pop-gemeinten, Motown-Ahnungen erzeugenden Song. Vielleicht schaltet man als Indie-Rock-Faschist nicht gleich das Radio ab, wenn dieser Song gespielt wird, aber ins Haus kommt einem sowas nicht. Überhaupt nicht. Auf keinen Fall.

Mark Owen ist schon toll. Er ist mit Rufus Wainwright befreundet, hat ein Isort of] Indie-Rock-Album gemacht und vor zwei Jahren vor nicht sehr vielen, aber ein bisschen ältlicher gewordenen Take-That-Fans in kleineren Clubs Izum Beispiel im „Atomic Cafe“ in München] gespielt, nicht performt. Auf „Shine“ (Potydor/Universall, der zweiten Single der wahrscheinlich nicht aus finanziellen Gründen wiedervereinigten Take That, darf Owen singen. Im Prinzip gilt für diesen – auch ein bisschen Sixties-Pop-gemeinten – Midtempo-Schlager die Mainstream-Definition von einer Kritik weiter oben. Aber, um die Leser ordentlich zu provozieren, behaupte ich einfach, dass das besser ist als Robbie Williams. So, das hat gesessen.