Clap Your Hands Say Yeah – Some Loud Thunder :: Tanz der Tausendfüßler

This is Pop: Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Zeilen existiert das neue cyhsy-Album nur als einigermaßen missbrauchsresistenter StTeam für moralisch gefestigte Journalisten ohne kriminelle Absichten. Soll heißen: Man hört sich die Platte doof am Rechner an, nachdem man vorher ein Passwort eintippen musste. Einige der lournalisten, die den neuen Songs begegneten, waren aber nun derart verstört ob des Klangbildes der Stücke, dass sie an einen technischen Defekt oder eine zusätzliche bösartige Verrauschung zu Schutzzwecken glaubten. Nein, nein, beeilt sich nun das Label den weiteren Schreibern dieser Tage mitzuteilen, dasGerappel und Geschrappe, was man da höre, das sei genau so gewollt. Ein schönes Anekdötlein, das viel über die Sprengkraft dieser einmaligen Band aussagt. Gut zu wissen, dass es im langweilig gewordenen Musikgeschäft noch zu derartigen Missverständnissen kommen kann.

Erinnern wir uns an die Geschichte dieser Band: Clap Your Hands Say Yeah aus Brooklyn, New York, veröffentlichten ihr erstes Album 2005 anfangs nur auf ihrer Homepage und verkauften bis zum Tag ihrer Aufnahme in die Database des Allmusicguide4O.ooo Einheiten im Selbstvertrieb. Auch der weitere Aufstieg des Quintetts -von Blogger-Helden zur neuen Lieblingsband der beiden berühmten Davids (Bowie und Byrne) – spielte sich im Internet ab: eine kleine Pop-Geschichte für sich -selbst ohne die Musik. Zum Glück gab es auf dem Debütalbum der Band aber auch jede Menge toller Songs. Man war kurz irritiert über Sänger Alec Ounsworths Stimme, die aufgrund ihrer abwesenden Genervtheitund enervierenden Quengeligkeit ab sofort gebetsmühlenartig mit der des ehemaligen Talking-Heads-Sängers David Byrne verglichen wurde. Die Songs selbst waren knappe, sparsame Folk-Pop-Schrammler mit leichter Wave- Attitüde – irgendwo zwischen The Velvet UndergTOund, The Smiths, Violent Femmes – und eben den Talking Heads.

Ein Jahr nach der Europa-Veröffentlichung ihres Erstlings legen CYHSY nun also nach (in den USA wird die zweite Platte der dort formell nach wie vor ungesignten Band über ADA, ein alternatives Vertriebsnetz, veröffentlicht). Diesmal konnte Dave Fridmann (vor allem bekannt durch seine langjährige Tätigkeit als Hausproduzent der Fläming Lips) an Bord geholt werden – und so klingt die Platte denn auch: wie eine Clap-Your-Hands-Say-Yeah-Platte mit dem notorischen Verrauscher, Verzerrer und Verfreaker Fridmann an den Reglern. Gleich der Eröffnungssong gibt die Marschrichtung vor: „Some Loud Thunder“ klingt, als würde ein Psychedelic-Fuzz-Bastard aus den frühen Talking Heads und dem Mittsechziger-Dylan einen strammen Popsong runterschrubben. Eine Kuhglocke klonkt, ein Schellenkranz rasselt, Hände klatschen – Yeah, Yeah, Yeah!!! -, Sänger Alec Ounsworth quängelsingt sich einen Wolf, und Produzent Fridmann schiebt beherzt alle Regler seines teuren Mischpults so weit in den roten Bereich, dass das Stück so übersteuert klingt wie die kaputten Vierspursongs vom verrückt gekifften Nachbarsjungen.

Damit wir uns recht verstehen: „Some Loud Thunder“ bleibt der beim ersten Durchlaufzugänglichste Song auf der Platte. Es folgen verhallte Weltraumballaden („Emily Jean Stock“), spröde Seemannslieder mit Schräglage („Yankee Go Home“), gravitätische Todesmärsche („Goodbye to Mother and the Cove“), bekiffte Regentanzmusik („Mama, Won’t You Keep Them Castles In The Air And Burning?“), in Fetzen gehüllte Songvogelscheuchen („Arm and Hammer“) und ein krudes Intermezzo im Walzertakt, das den schönen Titel „Upon EncounteringThe Crippled Elephant“ trägt. Gelegentlich scheppert ein Brutaloschlagzeug ins Bild, dann wieder tänzeln betrunkene Tausendfüßler über verstimmte Klaviere, und Synthesizer laufen auf unerforschten Planeten Amok.

„Satan, Satan nölt Ounsworth, während er das nervöse Noise-Ungetüm „Satan Said Dance“ nach Hause reitet.

Um es klar zu sagen: Diese Platte ist fordernd, man braucht Nerven für dieses Album – aber: Diese Platte ist auch Pop. Pop in Sinne des von Connaisseuren verehrten Spinner-Labels Elephant Six. nach dessen diversen Bands hier vieles klingt. Vor allem die offenbar stillgelegten Elephant-Six-Legenden Neutral Milk Hotel sind als Einfluss offenkundig; etwas betagtere Hörer mögen sich auch an die Glanzzeiten des New Yorker Experimental-Folk-Labels Shimmy Disc (Bongwater, Dogbowl) erinnert fühlen, some loud thun der ist somit eine Platte, die kaum Verbindungen zu anderen aktiv musizierenden Bands aufweist. Wann konnte man das zuletzt schon behaupten? Ein eigensinniges, mutiges zweites Album einer Ausnahmeband. Pop, der gerade aufgrund seiner Ruppigkeit so knallt. Clap Your Hands Say Yeah sind eine Band, an die man glauben und über der man wahnsinnig werden kann. Musik wie der Blick aus einem von innen beschlagenen Flugzeugfenster- und als man endlich die Scheibe sauber gewischt hat. Merkt man, dass man sich unter Wasser befindet. www.clapyourhandssayyeah.com