Seeed – Live

Egal, ob einem der Dancehall-Reggae nun nahe steht oder nicht: Auf der Bühne beeindrucken Seeed mit der Kraft einer vollgetankten Diesellok. Einer Kraft, die ansonsten wohl nur Metal-Shows zu entfalten imstande sind, mit einem signifikanten Unterschied: Der Seeed-Sound holt sich seine Energie aus der Dynamik der Performance. Brachialität und Coolness passen nämlich nur selten zusammen, Subtilität und Coolness hingegen immer. Irgendwie erinnert das an die großen Jazz-Bigbands längst vergangener Zeiten, an Musiker also, die dem Perfektionismus nicht die Spielfreude opferten und gerade deshalb so perfekt ihre Jobs erfüllten. Dazu gehören eben auch das elegante Understatement, die scheinbare Leichtigkeit und die beinahe schon kokett wirkende Unangestrengtheit, mit der die bestgeölte Groove-Maschine weit und breit zu Werke geht. Der Auftrag ist klar und wird auf LIVE auch bestens erfüllt: „Wenn sich die Leute nicht bewegen“, lautet das Credo, „haben wir definitiv unseren Job scheiße gemacht.“ Menschen, die vor dem laufenden Fernseher tanzen, dürften wohl eine Minderheit darstellen, an den Bewegungsdrang appelliert aber auch die DVD -Konserve-. Wer bei LIVE nicht wenigstens mit dem Fuß wippt, ist entweder taub oder beschäftigt aus noch schwerwiegenderen Gründen einen eigenen Zivildienstleistenden. Konzertmitschnitte aus Berlin, Dresden und Karlsruhe sind auf live zu bewundern, aufgenommen zwischen 2004 und 2006. Interview-Sequenzen und Backstage-Impressionen sind ebenfalls dabei, doch im Großen und Ganzen ist LIVE eine erfreulich geradlinige Angelegenheit. Denn Seeed wollten, so Eased, „einen Film zeigen und keine tierisch interaktive DVD mit tausend Spielereien kreieren.“ Ein lobenswerter Ansatz, denn DVDs, auf denen man die Stars beim Nasebohren bewundern kann, während ein Freund des Lichttechnikers glaubhaft zu machen versucht, wie wichtig das alles für die Weiterentwicklung der Popmusik sei, gibt es schon genug. Was an Seeed fast am meisten erstaunt, ist die scheinbar banale Tatsache, dass man es mit elf Musikern zu tun, die alle seit Jahren in einer Band spielen und offenbar dennoch keinen Therapeuten brauchen. Wie machen die das nur? live gibt die Antwort.