James Yorkston – The Year Of The Leopard

Bob Dylan hat’s schon immer so gemacht: Traditionals und Songs von anderen dahergeklampft, bis ihm dabei ein neues eigenes Stück in den Sinn kam. Dieses Arbeitsprinzip liegt auch der dritten Platte des Schotten James Yorkston zugrunde. Statt wie sonst lange und ausgiebig an seinen irgendwo auf dem weiten Acker zwischen Folk und Country angepflanzten Songs herumzuwerkeln, lief) er sie diesmal bewusst nebenbei entstehen: beim Hören anderer Stücke, beim Lesen, beim Spazierengehen. Dieselbe Spontaneität und Beiläufigkeit prägte auch die Aufnahmen dieser neuen Lieder, häufig ließen Yorkston und sein Produzent (Ex-Talk-Talk PaulWebb aka Rustin Manl den ersten Gesangstake stehen und scherten sich nicht weiter drum, wenn das Gitarrenholz mal zu laut knackte. Yorkston mag aussehen, als unterrichte er an der Volkshochschule klassische Gitarre und Pulloverstricken – doch Vorsicht: Der Mann ist erzcool. Darum klingt auch nichts auf diesem experimentellen akustischen Songwriteralbum zufällig oder halbgar. Vielmehr ist the year of the LEOPARD eine Studie in Ökonomie und Präzision. Das zarte Zusammenspiel von Piano, Akustikgitarre und zweistimmigem Gesang im Titelsong, der Moment in „Summer Song“, wenn Akkordeon und Klarinette gemeinsam hinaus aufs ruhige Wasser gleiten, oder die ungehorten Harmonien in „5.a.m.“, gespielt auf Konzertina und Violine – all das ist punktgenau dargeboten und dürfte nicht anders klingen. Was die Dezibelanzahl angeht, hängt die Limbostange extrem tief hier. Trotzdem: So beruhigend manches hier klingen mag, Yorkstons Musik wird nie betüddelnd; bei näherer Betrachtung tut sich hier tatsächlich viel Aufregendes. Auf gewisse Art empfiehlt sich Yorkston mit dieser Platte als europäische Antwort auf den großen Americana-Freigeist und Folk-Hinhuscher Will Oldham. Yorkston selbst sieht sich mit seinem dritten Album eher in der Umgebung von autonom vor sich hin musizierenden Helden wie Scott Walker oder Jaques Brei. Dies hier ist Musik außerhalb jeder Zeit. Oder besser, Musik für die Momente zwischen der Zeit.