Sufjan Stevens – Songs For Christmas

Irgendwas scheint im Vorfeld dieses kommenden Weihnachtsfestes besonders gut zu laufen. Sollen die ihre aufblasbaren Lebkuchennikoläuse mit Rauschgoldrubbelgewinnchance doch schon im September in die tschingelbellenden Kaufhaussondersektionen stellen – gegen jede Madigmachung einer gemütlichen Weihnacht ist heuer gewapppnet. wer sich in diesen Tagen vor dem Fest dem Santaklaus der Herzen Sufjan Stevens an die Hand gibt. Was bei jedem anderen Act klänge wie eine Drohung – eine Fünf-CD-Box mit Weihnachtsliedern?! – ist aus den Händen des „herausragenden Musikers dieses Popjahrzehnts“ (Karl Bruckmaier im „Zündfunk“; hiermit bescheidenst unterschrieben) fast schon das Geschenk des Jahres. 42 bislang unveröffentlichte Stücke, gepackt auf fünf EPs, die Sufjan seit 2001 als Weihnachtsgeschenk für Freunde und Familie aufgenommen hat; verpackt mit verspielter Opulenz in tierverzierten Pappschubern neben dickem Booklet („Songbook and other stuff“) mit Gitarrenakkorden, Texten und Kurzgeschichten. Weihnachtsaufklebern, einem Comic sowie einem Poster mit cheesy Familienporträt von Sufjan, Frau und Kindern vorm Weihnachtsbaum, das irgendwo zwischen Augenzwinkern und Aufrichtigkeit den Ansatz illustriert, mit dem Sufjan das kitschgefährliche Terrain bestellt. Er habe, heißt es. die EPs unter anderem gemacht als eine Art Therapie gegen seine eigene (traumabedingte?) Weihnachtsmuffeligkeit. Und in der Tat wird das Verhältnis zu dem mannigfaltig aufgeladenen Fest immer wieder abgeklopft, noch auf der letzten, der 2006er-EP mit dem programmatischen „Get Behind Me, Santa!“ einem vertonten Streitgespräch des Weihnachtsskeptikers mit dem Chor der Weihnachtsmöger. Das Feld ist eine nur natürliche Wahl für Stevens und seinen wahrhaft folk-, volksmusikalischen Ansatz, Musik mit den Leuten [die Besetzung seiner Mini-Orchester wechselt ständig) über die Leute für die Leute zu machen. Das reicht dann von eigenen Liedern mit sehr gegenwärtigem Popbelang („Did I Make You Cry On Christmas? (Well, You Deserved It!“, „Sister Winter“, „Hey Guys! It’s Christmas Time!“) bis zur liebevollen Exhumierung von obskuren Traditionais und alten europäischen Volksliedern, namentlich etwa einer bezaubernden Version von „O! How A Rose Fer Blooming“, dem guten alten „Es ist ein Ros‘ entsprungen“. Aber nicht Verkopftheit regiert hier klarerweise, sondern Humor, profunde philantropische Herzensbildung, und dieser unwiderstehliche Sufjan’sche Melancho-Optimismus, den er in diese Musik zu gießen weiß, die klingt wie keine andere. Die ganze Klangwelt, die man kennt von MICHIGAN und Illinois, ist hier, der tausendfarbig klingelnde Jingle-jangle-Sound von Sufjan Stevens, das Banjo, die Glöckchen, Klaviere, Gitarren. Xylophone, Orgeln, Harfen, Trompeten, Geigen, Flöten, Oboen, Fagotte, die Chöre, die raffinierten Melodien, Harmonien, die knappen Popsongs, die Kleinode und die bauschigen repetitiven Akkumulationen, die in Minimal Music wurzeln und bei ihm freilich stets zu Maximalmusik ausblühen. Hach. Was für eine Schatztruhe. Leute: Es ist das Fest der Liebe. Also: Wenn Sie Sufjan Stevens noch nicht lieben, dann bietet sich jetzt mal wieder eine sehr gute Chance, damit anzufangen.