My Morning Jacket – Okonokos

Wenn eine überdurchschnittlich bärtige Band eine Doppel-Live-CD namens okonokos veröffentlicht, ist eigentlich Vorsicht geboten. Zu viele Verbrechen sind bereits im Zeichen unrasierter, mythenverkleisterter Epik begangen worden, als dass man hier nicht in Deckung gehen müsste. Aber: okonokos ist zugleich ein neues Album der (durchatmen … ja doch): besten Rockband, die derzeit frei rumläuft. Noch vor wenigen Jahren war man, wenn es zur musikalischen Einordnung von My Morning Jacket kam, bestens aus dem Schneider, wenn man irgendwas von „Neil Young im Weltall“ nachplapperte. Und mal ehrlich: Auch wenn die schratigen Zottel sich darauf beschränkt hätten, ihre ganze Karriere lang karohemdigen Kuheuter-Rock in outer space zu spielen, es hätte als musikhistorische Daseinsberechtigung allemal gelangt. Dann aber kamen diverse personelle Umbesetzungen und das Anfang diesen Jahres bei uns erschienene Meisterwerk, jene Platte, die den Geist solch wunderlicher Meisterwerke wie THE Soft BUL-LETIN und deserter’s SONOS ins neue Jahrtausend trug. Seither sind My Morning Jacket eine Überband, die fast alles kann. Auf okonokos tun sie das auch. Sie spielen übergeschnappten Melo-Rock („One Big Holiday“). Mondseepop, der klingt wie Coldplay auf Rauschgift LWorldless Chorus“, „It Beats For U“), Muppet-Rock („What A Wonderful Man“) und Blues-Reggae zwischen 70er-Stones und XTC („Off The Record“). Zwischendurch wird des Öfteren hörbar das Haarband gelockert und die Frisur nass geschüttelt. Zwei Dinge erstaunen bei diesem Rockkarneval immer wieder: Da ist zum einen die erhabene Kerrnit-Stimme von Chefbart Jim James, die klingt, als hätten Ron Sexsmith, Chris Martin und Neil Young eine schlimme gemeinsame Sehnsuchtsattacke. Der Mann ist mittlerweile mehr Soulsänger als Rockrohr. Zum anderen erstaunt, dass MMJ des Öfteren mal ins weitabgewandte Gniedeln verfallen und dabei keine Sekunde langweilen. Und was da im epischen Lost-im-Orbit-Jam „Dondante“ veranstaltet wird, sollte gerechterweise alle anderen Sologitarristen dieser Welt für immer verstummen lassen. Einsteigern in die Welt von My Morning Jacket sei nach wie vor das Wunderalbum empfohlen. Trotzdem: Wenn in den letzten 25 Jahren jemals ein Doppel-Live-Album Sinn ergeben hat, dann hier. Unmöglich zu erahnen, was diese Band als nächstes veranstalten wird. So viel ist sicher: Es werden Barte dabei getragen werden.