Elend. – Hrsg. von F. Boggasch & D. Sittig
Ob über irgend etwas auf dem weiten, approximativ endlosen Boden des Erdballs so viel geschrieben wird wie über Pop als Konzept, als Musik, als Lebensweise, Anspruch, Problem, als Pop? Wer weiß. Mit Sicherheit wird über kaum etwas so viel Unfug und Schwachsinn verzapft, dabei meist noch mit dem Anspruch, das Schreiben sei selber ein „Pop-Akt“ und das Lesen, Verzeihung: Rezipieren am Ende auch noch. Was Pop ist, soll, kann, darf, ist uns schon so oft und ausgiebig (und meist höchstens unfreiwillig amüsant) um die Ohren gehauen worden, dass die Einschlafquote in einschlägigen Musikunterrichtsstunden (wo das Thema vor 30 Jahren noch für aufgerichtete Ohren unter den Schülermatten sorgte, wenn die Musiklehrerin in aufschlusspädagogischer Anregungs- und Einfühlungsabsicht the DARK SIDE OF THE MOON auf den Teller legte, um das Collageverfahren als kreative Herangehensweise zu thematisieren) weit über der Einschaltquote des Unterschichtfernsehens liegen dürfte, das ja auch Pop ist, irgendwie. Und freilich geht es auch in diesem Buch (das kein Sammelband ist, eher ein Kunstkonzeptkunstwerk ohne Konzept o. s. ä.) darum: „Die Symptome einer gewissen Zeitspanne registrieren. Das -da-so und so. Eine Art G-E-G-E-N-W-A-R-T-S-B-E-F-U-N-D. Und dabei: selbst Symptom werden wollen, selbst Symptom sein – am besten für alles…“ Also: Pop. Wer jetzt abwinken und lieber das neue Scissor-Sisters-Album auflegen möchte (weil’s da um dasselbe gehe), sollte indes einhalten, denn hier haben wir einen seltenen Glücksfall, wo das funktioniert, das Zusammenschmeißen diversester Äußerungsversuche und -arten: Gedicht, theoretische Dekonstruktion, Bild (auch hier: unterschiedlichst), Kurzgeschichte, Interview bis hin zur puren Abschweifung, auch thematisch: Dass Warhol, No Means No, Rechts-Rapper, Vokuhila-Frisuren, Yam! und Trinkhalle, Porno, Mauer und Kotzen, Larry Clark und Meditationen über den Zungenkuss mit- und hintereinander „Sinn ergeben“ (und vor allem mit stringentem Interesse zu lesen sind), mag man sich kaum vorstellen. Ist aber so, und wer so etwas nicht glaubt, reagiert vielleicht auf Namen: Dath, Kippenberger, Kreye, Meese, Oehlen, Rühle, Seeßlen, Teller, Zeh heißen einige der vielen Beiträger, von denen nicht alle immer um den Quatsch herumkommen, aber nun ja, der ist ja wohl auch Pop, irgendwie.
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