Jeffrey Lee Pierce – Wildweed

Wie soll man jemandem den Jeffrey-Lee-Pierce-Blues erzählen, der Jeffrey Lee Pierce nie erlebt hat? Eines seiner mutigen und desaströsen Konzerte aus der von Krankheit und Verzweiflung schon geprägten letzten Phase habe ich noch gut in Erinnerung, Pierce taumelte in der Frankfurter Batschkapp wie eine waidwunde Hirschkuh über die Bühne, schob die Songs wie Granitblöcke vor sich her, ohne die geringste Chance, sie je zu besiegen. Die Krankheit rüttelte an Physis und Psyche, Pierce heulte mehr und mehr wie sein eigener Geist, er starb dann im März 1996 nach langem Leiden an einem Herzinfarkt. Der 1958 in Kalifornien geborene Jeffrey Lee Pierce war der Hohepriester des Punk-Blues auf den sagenhaften ersten beiden Gun-Club-Alben der frühen ’80er Jahre. Er erfand nebenbei die Jazz-Meditation im Post-Punk-Sound und erzählte, begleitet vom Immermal-wieder-Gun-Club-Gitarristen Kid Congo Power, Patricia Morrison IBass] und Terry Graham IDrumsl seine las Vegas story. ein glamouröses Monster nach dem Sündenfall. Der Versuch, dem Phänomen Pierce nun mit einer CD-Serie habhaft zu werden, ist begrüßenswert. Ob das pflichtschuldig den Original-Alben beigestellte Live- und Bonusmaterial dabei mehr leistet als Gene Temesys intime Liner Notes, bezweifle ich. Die Serie „9 Lives“ beginnt irgendwo in der Mitte der Gun-Club-Geschichte mit Pierces Soloalbum wildweed von 1985, das vom Gun Club nur noch Roadie Murray Mitchell im Line-up aufführt. Nie hat Jeffrey Lee Pierce mehr Rock-Lokomotive gespielt als auf diesem Album. Ein Vergiss-den-Gun-Club-Aufruf. der nach der nächsten Wiederbelebung der Band hinfällig wird. Auf den Alben mother juno I1987I und lucky Jim (19931. unter anderem mit Romi Mori (Bassl und Nick Sanderson (Schlagzeug), versucht Jeffrey Lee Pierce den metastatischen, zittrigen Blues der frühen Jahre fortzuspielen, hörbar mit der Not eines Mannes, der die Dämonen schon im Nacken spürt. Das Traditional „Be My Kids Blues“ auf der lucky jim-Bonus-CD gehört zu den Entdeckungen, ein Ruf aus Pierces Folk-Seele bleibt in Erinnerung:

„If you’ll be my kid, I’ll be your teddybear‘. Das Live-Album „danse kalinda bomm“ rundet diesen ersten Schub mit den Live-Hits der 80er Jahre nicht wirklich ab, das Mysterium Jeffrey Lee Pierce verschwindet manchmal im Live-Tumult. Zusammengestellt hat die „9 Lives „-Serie Gene Temesy, der Biograf von Jeffrey Lee Pierce und Präsident des Gun-Club-Fanclubs. Die nächsten fünf Leben des Jeffrey Lee Pierce werden Zug um Zug der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Eine Frage noch: Wo bleibt „Sex Beat“, wo bleibt der Voodoo des ersten Gun Club?