Lambchop

Damaged

City Slang / Universal VÖ: 11.08.2006

Schon mal vormerken, die Kurt-Wagner-Festspiele 2006. Das neue Album des Nashville-Orchesters ist ein sanfter Riese: kontemplativ, still, keine Amplituden.

Überwiegend grau. Nicht nur auf dem Cover der neuen Langspielplatte der Nashville-Mischpoke ist viel Grau, die Musik sucht sich die verschiedenen Mischungen von Weiß und Schwarz, die Gefühle auf einer Skala von melancholisch bis verzweifelt repräsentieren. Grau ist auch die Farbe der Stille hier. Die Gedanken, die Kurt Wagner, beflissener Heimarbeiter und Träger hässlicher Baseballkappen, Umtrieben haben werden, als er diese Songs schrieb, sie müssen auch grau gewesen sein. Das soll Verweis sein, nicht mehr: auf die Zeit, als Wagner gegen seine Krebserkrankung ankämpfte, bis zur Heilung. Die Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit, sie bleibt, Damaged heißt die Song- und Soundsammlung nicht ganz zufällig, die die Nachfolge von aw c’mon/ no you c’mon (2004) antritt; und es ist ein sanfter Riese von einem Album geworden: so weich, so langsam, fast statisch die Songs. Das erinnert nur noch entfernt an Country oder Soul. Spielt die Band da überhaupt noch? Sie kommt selten mal in die Puschen, sie muss schon von einem Streicherensemble angeschoben werden, das ein texanischer Arrangeur extra für diese Platte zusammengestellt hat. Auf c’mon/no you c’mon markierte den Übergang vom Song zum Sound, mancher suchte auf diesem Album schon den Leithammel Wagner. Er hat sich auch für damaged wieder ziemlich klein gemacht, stellt die Talente seiner Mitspieler in den Vordergrund. Diesmal sind das Gitarrist William Tyler (schon seit ein paar Alben dabei] und das Elektronik-Duo Hands Off Cuba (schon auf der 4-Track-EP colab 2005 mit Wagner zu hören], das den Orchestersound in ambiente Flächen verlängert. Die ruhigen Alben, das hat mir Kurt Wagner mal erzählt, sind die schwierigen. IS A woman I20021 war das harte Stück Arbeit, die Kunst, in den Melodien zu verweilen oder komplett zu verschwinden. Stille, Leere. Lakonik. Stillstand, Stagnation und Entsetzen. damaged setzt an diesen Punkten an. Selten hat Wagner in seinen Songtexten so viel hinterfragt, einmal versetzt er sich in die Rolle einer gelangweilten Hausfrau, die auf ihren Mann wartet („I Would Have Waited Here AU Day“]. Hilflosigkeit ist eins der Grundmotive, der Sänger macht ein Lied daraus, das sich an sein Ende schleppt, die Lyrics versinken in den sanften Soundwogen: „There ore things I wantto teil you /But sometimes I get confused /Still I try to make a mental note of this I „A Day Without Glasses“]. Gibt es noch Worte, die uns etwas erzählen können? Im Zweifelsfall eher nicht. Das müssen Wagnerianer 2006 erstmal schlucken, damageo ist in des Songwriters Worten „time plus fragte ass shit plus crazy ass worldevents“. Die Auseinandersetzung damit drückt auf diese Lieder. Nur im finalen „The Decline Of Country & Western Civilization“ [auch Titel der vor Monaten veröffentlichten Raritätensammlung 1993-1999) tritt die Band plötzlich aus sich raus, Wagner spuckt Saures inmitten eines Trommelhalls. Hurra, das Leben hat Lambchop wieder zurück. Und sonst 9 Wagners Stimme, weit weniger grummelnder Bariton als wohl temperierter Wortstrom, verweigert die Amplituden. Muss man sich, wenn man diese Stimme jetzt hört, Gedanken über seinen neuen Lebenswandel machen? Wahrscheinlich raucht er nicht mehr.