Trio Beyond :: Saudades ECM/Universal

Die Frage ist nicht: Darf man das? Sie muß vielmehr lauten: Kann das überhaupt funktionieren? Denn wer ein Stück Jazzgeschichte bis auf die Besetzung identisch genau klonen will, der muß entweder ein bißchen größenwahnsinnig sein -oder John Scofield. Jack DeJohnette und Larry Goldings heißen. Die drei nahmen 2004 allen Mut zusammen und schlüpften in die Rollen von John McLaughlin, Tony Williams und Larry Young, um einer der legendärsten Jazz-Rock-Formationen Tribut zu zollen: der 1969 gegründeten Band Lifetime, die dem ganzen Fusion-Segment das nötige Fundament geben sollte. Mit ihrem Trio Beyond wollten Scofield/DeJohnette/Goldings aber dann eigentlich noch mehr: Sie wollten sich vor dem Jahrhundertschlagzeuger Tony Williams verbeugen, der mit 17 Lenzen bei Miles Davis eingestiegen war, bevor De-Johnette 1969 seinen Platz übernahm und Williams sich neuen Herausforderungen stellte. Viel Nostalgie war somit bei dem Konzert in London mit im Spiel. Als man zwei CDs lang neben Lifetime-Klassikern wie „Spectrum“ und „Allah Be Praised“ auch den Davis-Schlagzeuger Williams mit „Seven Steps To Heaven“ und „I Fall in Love Too Easily“ in Erinnerung rief. Wie aber Nostalgie Ansporn sein kann, die musikalischen Phantasien von gestern nichts von ihrer animierenden Impulsivität eingebüßt haben – das dokumentiert nun der Live-Mitschnitt saudades. Was angesichts dieses One-Million-Dollar-Trios aber auch kein Wunder ist. Schließlich muß sich weder Jack DeJohnette an Leichtigkeit. Raffinement und Power vor Williams verstecken. Scofield zuckt es sowieso genauso in den Starkstrom-Fingern wie weiland McLaughlin und Goldings ist ein wahrer Groove-Derwisch an der Hammond-Orgel. Und wie dieses Trio Beyond zum Schluß sich dann auf Williams‘ „Emergency“ wirft, an den Rhythmen zerrt und den Psycho-Rock-Wahnsinn ausruft – das ist nicht größenwahnsinnig, sondern einfach ganz übergroß!

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