Roy Hargrove Quintet – Nothing Serious; The RH Factor – Distractions :: All That Jazz

Lange verfolgte ihn der Schatten seines Ziehvaters Wynton Marsalis nicht nur musikalisch. Als Musterschüler trug Roy Hargrove feinen Zwirn zur konservativen Jazz-Pflege. Inzwischen hat sich der Trompeter mit Dreadlocks und Schlabberstreetwear ein neues Outfit zugelegt und sich auch stilistisch weitergebildet. Post-Bop mit seinem Quintett – gut und schön. Mit dem zweiten Projekt The RH Factor wandelt Hargrove auf den Spuren von Wyntons Bruder Branford und dessen Buckshot-LeFonque-Deklinationen von jazzigem HipHop inkl. Soul und Funk. Als ein trompetenspielender Dr. Jekyll & Mr.Hyde wird Hargrove deswegen jedoch nicht in die Jazz-Annalen eingehen. Denn die beiden Alben Nothing Serious und Distractions werden trotz der musikalischen Zweigleisigkeit von einem erstaunlich routiniert wirkenden Retro-Sound zusammengehalten (ursprünglich sollten beide CDs auf einer Doppel-CD veröffentlicht werden). Natürlich sind die Grooves vollfett, mit denen Hargroves RH-Factor-Kollektiv Distractions, 3 Sterne unterspült. Und die Liaison von R’n’B, Dancefloor-Beats, Soul-Chorussen und Rap-Einlagen ist in einem energiereichen Dauerfluß, bei dem sich der schicke Jazz-Lounge-Clan ausgiebig unterhalten kann. Doch wer will wirklich schon eine Kopie von Gurus Jazzmatazz hören? Nothing Serious, 4 Sterne, zieht dagegen schon deshalb mehr Aufmerksamkeit auf sich, weil Hargroves Quintett seine Spielfreude selbst bei afro-kubanischen Rhythmen einfach exzellent umsetzt. Da werden virtuose Solo-Haken geschlagen (Hargrove in Bestform!), kommen heftig aneinandergeriebene HardbopModulationen daher und läuft der subtil-vertrackte Swing auf Hochtouren. Diese neo-klassizistische Interpretation des Jazz-Erbes kann man zwar risikofreudiger angehen, dafür ist sie immerhin up to date.

www.royhargrove.com