Walk The Line :: Love Is The Drug

Daß sich auch begabte Filmemacher die Zähne daran ausbeißen, der Größe eines realen Lebens gerecht zu werden, mag daran liegen, daß sich das Leben eben keiner konventionellen dramarischen Struktur unterwirft. Nach RAY ist Walk The Line binnen eines Jahres die zweite filmische Aufbereitung einer archetypischen Musikerbiographie, die in ihren Einzelteilen brilliert, aber als Ganzes doch zu bemüht zusammengesetzt wirkt, zu sehr versucht, Schlüsselereignisse einer BiogTaphie abzuhaken, je mit einem passenden Song zu versehen und auf eine dramaturgische Linie zu bringen. Was James Mangold – kein schlechter, aber auch kein begnadeter Regisseur (GIRL INTERRUPTED, COPLAND, IDENTITÄT u.a.) – da in groben Strichen auf die Leinwand geworfen hat, ist wohl das erste christliche Seifenopern-Epos: ein Film, in dem die Widersprüchlichkeit und Komplexität des neben Elvis, Sinatra und James Brown ikonischsten US-Sängers des 20. Jahrhunderts bestenfalls angerissen wird. Letztlich bleibt es dem bis zur Selbstaufgabe spielenden Joaquin Phoenix überlassen, Cashs Facettenreichtum gerecht zu werden, während der Film selbst- klammert man die elektrisierenden Musikszenen mal aus – sich auf die Aussage beschränkt, daß Alkohol und Drogen bäh sind, die aufrichtige Liebe zu einer guten Frau aber den Weg ins Paradies ebnet. Ächz. Gleich in den ersten Szenen versteift sich Walk The Line darauf, daß es der frühe Unfalltod des Bruders ist. der den Man in Black ticken läßt – die typisch ärgerliche Masche des ambitionierteren US-Kinos, Kindheitstraumata als wichtigstes Motiv für ein ganzes Leben anzubieten, als hätte man das Konzept vom freien Willen eben mal in Reno erschossen, nur um es sterben zu sehen. Nicht mißverstehen: Walk The Line ist kompetent gemacht und von Phoenix und Reese Witherspoon als June Carter herausragend gespielt, von Szene zu Szene steckt er voller Belohnungen für den Zuschauer. Doch reicht die Reduzierung auf die sakrale Lovestory – der Film endet 1968 im Folsom Prison mit Johnnys Heiratsantrag auf offener Bühne – nicht aus, um diesem Giganten auch nur annähernd gerecht zu werden. An dieser Stelle sei Franz Doblers Biographie „The Beast In Me“ empfohlen, die den Mythos Cash knackt, ohne ihn klein zu machen.

www.walkthelinethemovie.com

Mit Joaquin Phoenix, Reese Witherspoon, Robert Patrick u.a.