Jenny Wilson – Love And Youth

Kinder, aufgepaßt, Schnute ziehen will gelernt sein! In Kaurismäki-Filmen z.B. erhoben gleich mehrere Schauspieler diesen mimischen Fingerzeig des Eigensinns zur Kunstform. Jenny Wilson kommt zwar nicht aus Finnland, sondern aus Schweden, aber sie zieht auf dem Cover dieser Platte formvollendet Schnute. Quasi die höchste Schnute der Exzentrik und der Exaltiertheit… und dabei haben wir über den durchdringenden Blick dieser Dame noch kein Wort verloren. Aber kommen wir lieber zur Musik. Auch sie ist durchzogen von den genannten Charaktereigenschaften, allerdings zwinkert Jennys rechtes Auge hin und wieder, wenn man genau hinschaut/-hört, und es wohnt weitaus mehr Zuneigung (zum Hörer, zum besungenen Objekt: Love And Youth – jaja. natürlich ist das ein Konzeptalbum, und die Schmerzen und die Sehnsüchte kennt ein jeder) und offenkundige Sensibilität und Leidenschaft in diesen Liedern, als der erste Eindruck vermitteln mag. Jenny Wilson ließ mit ihrem Solodebüt nicht nur ihren Bandjob hinter sich, sondern offenkundig auch einige Hemmungen und Hindernisse. Ohne es mit dem Eigensinn zu übertreiben und ihre feste, gleichsam sinnliche Stimme, mit der man sogar ganze Irish-Folk-Festivals in Grund und Boden schmettern könnte, zu weit ins Feld zu führen, sang und machte und spielte sie drauflos. Die Songs fanden so ihre eigenen Formate, statt sich in diese pressen zu lassen – zumeist gar nicht 50 weit weg von den Konventionen des E-Pop, des Solo-Artist-Pop, des 80’s-Pop with attitudes. wie wir ihn von anderen Selbstmacherinnen wie Kate Bush und Laurie Anderson kennen und kannten. Bevor uns also nächstens wieder jemand ein windelweiches Erzeugnis wie Annies Debüt als neuesten Schrei im Pop verkaufen will, sollte dieser jemand einer Platte wie Love And Youth etwas mehr Aufmerksamkeit schenken. Diese Musik hat nämlich Charakter.

www.jennywilson.net