Tomte :: Buchstaben über der Stadt
So soll es sein, so war's erdacht: Thees Uhlmanns Indiepop-Band macht die beste deutsche Platte des Jahres.
Wie soll man eine Platte beschreiben, mit der man mehrere Wochen zusammengelebt hat? Mit der man zu Hause aufgestanden und woanders eingeschlafen ist, mit der man in allen Ecken der Stadt war und die einen auch nicht in Ruhe gelassen hat, wenn man Stop gedrückt, die Kopfhörer weggelegt und andere Sachen in seinen Kopf gelassen hat. Wenn man das neue Tomte-Album BUCHSTABEN ÜBER DER STADT zum ersten Mal hört, denkt man vielleicht: Aha, ja, eine Tomte-Platte, kennt man, ist ja prima. Und dann könnte man darüber reden, daß die jetzt einen Keyboarder haben und daß Thees Uhlmann die Songs bei Familie Madsen im Wendland geschrieben hat, so Sachen. Oder man hört weiter, nimmt die Platte überall mit hin, und wenn man diese euphorischen, traurigen, verwegenen und aufrichtigen Songs ein Dutzend Mal gehört hat – die kühne Offenbarung „Ich sang die ganze Zeit von dir“, das umwerfende „New York“, ein Lied über die Liebe und die „Stadt mit Loch“, das wunderbar kitschige „Geigen bei Wonderful World“ – dann hat sich BUCHSTABEN ÜBER DER STADT ins eigene Leben eingeschrieben wie „On The Road“, „Dead Poets Society“ odei „Either/Or“. Natürlich würde es sich lohnen zu loben, was die Herren Bodenstein, Becker, Koch und Schröder alles Großartiges machen auf dieser Platte, aber letztlich läuft es doch auf Thees Uhlmann hinaus: Einer, der weiß, warum er hier steht, der sich mit Gott prügelt, der sich fühlt, als habe er die Liebe erfunden. Sein Singen ist ein Bläken, ein Nölen, ein Fordern, hoch erhobenen Hauptes. Nicht daß er plötzlich alles richtig machen wurde: Er singt immer dieselbe Melodie. In einer Zeile erwähnt er seinen eigenen Namen. Und mehr als einmal tut er den Worten Gewalt an, um sie in die Musik einzuordnen. Und das ist: scheißegal. Weil Tomte sich über jede Anstrengung erhaben und über stumpfen Zweifel erhebend den Dingen widmen, über die zu grübeln sich lohnt. Der Diskurs der Hamburger Schule ist Lichtjahre entfernt, bei Tomte geht es nicht um die Gesellschaft, sondern um die Menschen. Uhlmann gibt immer gerne den Klassenkasper, aber eigentlich ist er längst Poet Laureate einer ganzen Generation. „Ein passionierter Mensch in einem mediokren Land.“ Selbstherrlich. Und stärker als wir alle.
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