Hildegard Knef – Ich bin den weiten Weg gegangen

Anders als Marlene Dietrich ist Hildegard Knef kein Mythos, kein großes Rätsel, sondern ein facettenreicher Star mit Bodenhaftung, eine Persönlichkeit, an deren Schicksal die Öffentlichkeit Anteil nehmen konnte und sich wiedererkannte – in ihrer mitunter tragischen Vita spiegelt sich vor allem deutsche Zeitgeschichte. Neben einer internationalen Karriere als Schauspielerin in 49 Filmen. Autorin und Malerin, begann ihre Laufbahn als Chansonsängerin 1962 im Alter von 37 recht spät. Ihr musikalisches Schaffen ist dabei von ebenso eigenwilliger Schönheit wie das ihrer lebenslangen Freundin Marlene. Die wohl berühmteste Umschreibung dieses Sachverhalts liefert ausgerechnet Jazzlegende Ella Fitzgerald: „Sie ist die größte Sängerin ohne Stimme „. Zum Singen kam die Knef wie die Jungfrau zum Kind: Bei Dreharbeiten zu „Alraune“ in Deutschland und „Schnee am Kilimandscharo“ in den USA interpretierte sie 1952 erste Songs. Erst eine Dekade später begegnete die wieder in die Heimat zurückgekehrte Knef ihrem musikalischen Ausdruckswillen mit dem nötigen Ernst, veröffentlichte 1963 ihr Debütalbum SO ODER SO IST DAS LEBEN – 22 weitere Alben legen Zeugnis derzeitlosen Qualität ihrer Musik ab. Das A-CD-Box-Set ich bin DEN WEITEN WEG GEGANGEN versucht erstmals, den Anspruch eines labelübergreifenden Gesamtüberblicks der bis zu Knefs Tod 2002 andauernden Gesangskarriere zu erfüllen – und scheitert zwangsläufig an der künstlerischen Fülle der Knef sehen Hinterlassenschaft. Daß die Box mit den vier bis zum Rand mit 95 Tracks gefüllten CDs inklusive beigelegtem 40seitigem Booklet dennoch als gelungene Kollektion zu betrachten ist, verdankt sie dem Umstand, wenig auf populäre Klassiker zu achten, dafür sich eindringlich um seltene Sammlerstücke, Raritäten und Obskuritäten zu bemühen. Allein der Auftakt macht staunen, präsentiert 15 kaum gehörte Aufnahmen für Polydor, RCA Victor und Fontana von 1951 bis i960 in Deutsch, Englisch und Französisch. Darunter Kollaborationen mit Autor Boris Vian und Chansonnier Maurice Teynac, aber auch der Originalsoundtrack von Cole Porters Broadway-Musical „Silk Stockings“. Mitte der 60er, die Knef hatte bei Decca unterzeichnet und stand mit „Eins und eins, das macht zwei“ monatelang in den deutschen Hitlisten, interpretierte sie in der Verfilmung von Bechls DREIGROSCHENOPER mit Verve „Mack The Knife“ und „Pirate Jenny“, machte den lange verschmähten Kurt Tucholsky und den hierzulande kaum bekannten Cole Porter populär. Beindruckend auch die Auszüge aus mehreren triumphalen Konzertmitschnitten mit Orchesterleitern wie Günther Noris, Bert Kaempfert. Martin Böttcher, Kurt Edelhagen und Les Humphries. In derselben Ära fing die Multitalentierte an, selbst zu texten, lieferte insgesamt 139 Blaupausen deutschen Liedermachertums – darunter Meilensteine wie „Von nun an ging’s bergab“, „Im 80. Stockwerk“, „Tapetenwechsel“ und „Ich bin den weiten Weg gegangen“.

www.hildegardknef.de