Thomas Brinkmann – Lucky Hands

Von allen Minimal-Techno-Veteranen aus den 90er Jahren dürfte Thomas Brinkmann der sein, der noch am ehesten die Kurve kriegt in eine wie auch immer geartete Zukunft der elektronischen Musik. Weil Brinkmann weder als Verwalter des eigenen Werks auftritt, noch das radikal Andere sucht, was in Köln schon mal in der Techno-Schlager-Pop-Sackgasse endet. Mit seiner Soul Center- Trilogie hat Brinkmann Ende der 90er/Anfang der 00er Jahre über den Soul und Funk der 60er und 70er die Wurzeln der elektronischen Musik freigelegt, von allem Überflüssigen befreit und aufs Wesentliche reduziert in einen Minimat-Techno-Kontext übersetzt, der extrem funky sein durfte – genau das, was House irgendwann mit Disco gemacht hat. Lucky Hands, Brinkmanns circa 13. Album, ist funky, souly und Minimal-Dub-beeinflußter Techno, bei dem der auffällig hohe Einsatz von Vocals keine Verzweiflungstat darstellt, sondern logische Zwischenstation in einer persönlichen musikalischen Entwicklungslinie. Viermal darf Tusia ßeridze (aka TBA) unterkühlt vors Mikrofon treten, einmal singt Brinkmann selber – im leider etwas verunglückten „Maschine“, das so industrial klingt, wie es der Titel vermuten läßt. Thomas Brinkmann öffnet die zeitgenösische Elektronik für Einflüsse, die außerhalb ihrer musikgeschichtlichen Entwicklung liegen: „The More You Ignore Me, The Closer I Get“ benutzt die Morrissey-Lyrics aus dem gleichnamigen Smiths-Song. „Charleston“ ist das „Mashup“ eines Django-Reinhardt-Songs mit Versatzstücken aus dem Brinkmann-Album R0W. Das ist dann zwar nicht gleich Pop, aber auf dem besten Weg dahin.

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