Serge Gainsbourg – D’Autres Nouvelles Des Etoiles :: Der Schwerenöter

Vier Stunden und 40 Minuten Serge Gainsbourg pur. Keine Moderatoren, keine Agenda, keine Füller, aber mehr als 80 Songs aus mehr als vier Dekaden von einem der interessantesten Künstler, den das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat: Gainsbourg, Sohn russisch-jüdischer Einwanderer und Kette rauchender Bonvivant, ließ in den rasanten 63 Jahren seiner irdischen Existenz nicht nur rein künstlerisch nichts unversucht. Er erprobte sich u.a. als Chansonnier, Komponist, Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur, Buchautor, Moderator, Modemacher, Maler – stets mit vollem Einsatz und erstaunlichem, über die Grenzen Frankreichs hinausragendem Erfolg. Dank der Erotikhommage „Je T’aime… (Moi Non Plus)“ im Duett mit seiner damaligen Ehegattin Jane Birkin avancierte der mit fatalem Hang zur Provokation behaftete Franzose zum Schutzheiligen der Gallier. Obwohl ernichts unversucht ließ, seine Landsleute immer wieder vor den Kopf zu stoßen, etwa, wenn er in Talkshows eine Journalistin als „Nutte “ bezeichnete, bündelweise Geldscheine verbrannte oder eine sichtlich entsetzte, blutjunge Whitney Houston mit heraushängender Zunge begeiferte. Seine am 2. März 1991 endende Lebensgeschichte würdigt die Doppel-DVD D’Autres Nouvelles Des Etoiles mit so unendlich vielen Schätzen aus obskuren Archiven, daß einem geradezu schwindlig wird: Konzertauszüge, Filmausschnitte, Wochenschauberichte, TV-Auftritte, Specials, Video-Clips, Interviews sowie der komplette, von Jean-Christophe Averty als Promo gefertigte Meilenstein Histoire De Melody Nelson wechseln mit poetisch gefilmten Spaziergängen durch Paris, bei denen Gainsbourg zeitweise an den deutschen Erotomanen Klaus Kinski erinnert. Die Diskrepanz zwischen seinem zerknitterten Äußeren und dem Magnetismus, den er aufdie schönsten Frauen ausübte, darunter Brigitte Bardot, Catherine Deneuve, France Gall und Anna Karina, ist legendär. Hinter der Fassade aus zynischen Liedtexten, alkoholgerränktem Nikorinatem und ungepflegtem Äußeren versteckte sich ein kultivierter, jedoch ungemein schüchterner Mensch. Der es schaffte Songs zu verfassen, die dem Zeitgeist immer ein Stück voraus waren, ihn konterkarierten oder gar hinterhältig provozierten. Die Oralsex-Hymne „Les Sucettes“ von Grand-Prix-Gewinnerin France Gall etwa, ohrenbetäubender „Nazi Rock“ aus dem Führerbunker oder die als Reggae dargebrachte „Marseillaise“.

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