Bill Frisel – East/West

Wenn ein Top-Gitarrist wie Bill Frisell seine eigenen Stücke und die von anderen Größencovert. kommt es nicht nur auf das richtige Händchen bei der Auswahl an. Wird Frisell sich dafür etwa wieder für einen Country-infizierten Jazz entscheiden, mit dem er in den letzten Jahren so oft gelangweilt hat und damit in Verruf geraten ist? Als ein über Jahrzehnte vielbeschäftigter Mann, der von Free Jazz bis Pop den Schalter schnell umlegen kann, hat er glücklicherweise diesmal das richtige Knöpfchen gedrückt. Keines der insgesamt 16 Stücke auf seinem Live-Doppelalbum East/West, das während zweier Konzerte im kalifornischen Oakland und im legendären New Yorker Village Vanguard entstand, gerät da zur plumpen Folk-Session. Noch nicht mal der Rausschmeißer auf der East-CD, Johnny Cashs „Tennessee Fiat Top Box“. Stattdessen gibt Frisel ihm zunächst die Sporen, um ihm sofort computergenerierte Sound-Viren sowie ein undurchdringbares Harmonie-Dickicht unterzujubeln. Überhaupt ist East/West eine unmittelbar ansprechende und ständig aufs Nebengleis entführende Sammlung von Jazzund Pop-Klassikern, die mit höchster Subtilität und Raffinement neu angedacht werden. Es sind – bis vielleicht auf Marvin Gayes „Heard It Through The Grapevine“ – mehr Schattenspielereien, doch bei denen entdeckt Frisell mit seinen beiden Trios doch erfrischend neue Farben und Formen. Wie zum Beispiel in Henry Mancinis „The Days Of Wine And Roses“, das regelrecht Manouche-Swing-Qualitäten besitzt. Oder Bob Dylans „A Hard Rains A-Gonna Fall“, das durch Bill Frisells akustische Gitarre eine ätherische Leichtigkeit bekommt. Und wie narkotisch und qualitätsbewußt zugleich Kammer-Jazz-Rock sein kann, unterstreicht Frisel so einfach und doch so subversiv in seinem Stück „Pipeland“.

www.billfrisel.com