The Stooqes – The Stooges Funhouse :: Search and destroy

Mit gerade mal dreieinhalb offiziellen Studio-Longplayern in rund sechsjähriger Nettoexistenz innerhalb von 37 Jahren wurden The Stooges posthum zu den Helden des Proto-Punk. Genau wie ihre Kollegen von The Velvet Underground wurden sie in der Hochphase der Hippies Ende der 60er Jahre nur von einer elitären Minorität wahrgenommen. Aber im Laufe der Jahrzehnte bildete sich die überlebensgroße Legende der Stooges als Vorreiter des Punk.

Als im September 1969, einen Monat nach Woodstock, das Debüt The Stooges (6) auf den Markt kam, blieb die erstaunlich zeitlose Sogkraft der von Ex-Velvet John Cale inszenierten acht Tracks von der Flower-Power-Gegenkultur weitgehend unbemerkt. Ein lächerlicher 106. Rang in den Billboard-Album-Charts half nicht unbedingt dabei, die bei Konzerten infernalisch laute Band einem breiteren Publikum zu empfehlen. Der wenige Monate zuvor von LouReed bei Velvet Underground gefeuerte John Cale, den Iggy Stooge schon 1966 bei einem Filmfestival in Ann Arbor kennenlernte, wirkte bei den Studiossessions in New York als kongenialer Partner. Er verpaßte dem rudimentären, kaum zwischen Hard Rock, Rhythm’n’Blues und Psychedelic Rock einzuordnenden Material ein einigermaßen strukturiertes Bild, wie die zehn Bonustracks, davon vier Original-Mixe von Cale, beweisen. Ron Ashetons bis zum Anschlagaufgedrehte Gitarre fixierte Minimalriffs, meist mit Wah-Wahund Fuzz-Effekten, Dave Alexander drosch pumpende Baßklumpen, Scott Asheton hämmerte wie ein außer Kontrolle geratener Preßluftbohrer auf das Schlagzeug ein, während Iggy an einen quäkenden, sich die Seele aus dem Leib kotzenden Mick Jagger erinnerte. Noch mehr Sprengkraft erhielten die energetischen Songklassiker durch die für die Woodstock-Ära atypischen Inhalte – ein Blick in die Abgründe der Seele frustiert-vernachlässigter Frühtwens, deren beängstigende innere Leere durch den immensen Konsum harter Drogen und Alkohol kaum kompensiert wurde: „1969“, „Real Cool Time“ und „Not Right“ wie auch das spätervon den Sex Pistols gecoverte „No Fun“, beschrieben mit jeweils knappen Worten quälerisch das gleiche Thema: ödes, gelangweiltes Rumlungern, das Warten darauf, daß irgend etwas Aufregendes passieren mag.

Die sexuelle Befreiung der Hippies mit ihren spielerisch fröhlichen Love-, Peace- und Happiness-Slogans erfuhr bei den Stooges – ähnlich wie bei The Velvet Underground und MC5 – in dem mit starken sadomasochistischen Bildern gezeichneten „I Wanna Be Your Dog“ eine radikale Abfuhr. Darin bietet sich der Protagonist einer dominaten Person als angeketteter Hund, bittet um die totale Unterwerfung und Auflösung seines kläglichen Daseins als Mensch. Nicht minder beängstigend: der düstere, knapp zehnminütige, ein indisches Mantra simulierende Psychotrip „We Will Fall“ mit einem Viola spielenden Cale, der Slow-Blues „Ann“, der an die Doors erinnert, und die brachiale Orgie der sexuell ambivalenten „Little Doll“.

Rund ein Jahr später, zur Veröffentlichung des noch extremeren Fun House (6) hatte sich wenig bis gar nichts an der desolaten Situation des Ensembles geändert: Alle vier Stooges waren schwer heroin-, speed- und/oder alkoholabhängig. Permanent pleite, nahm die Band jede Möglichkeit wahr, um sich vor Publikum zu prostituieren, schockierten mit spektakulären Auftritten wie beim landesweit von NBC übertragenen Midsummer Night’s Rockfestival in Cincinnati 1970, wo Iggy wie ein psychotischer Borderline-Patient sämtliche Register zog: In zerissenen Jeans zu bloßem Oberkörper und goldenen Lameehandschuhen, blickte Pop minutenlang finster feindselig ins Auditorium, turnte waghalsig über Absperrungen, wälzte sich in Glasscherben, rieb Dreck in blutende Wunden und warf sich gnadenlos in die Menge. Nicht minder destruktiv und martialisch tönte das abermals für Elektra eingespielte, von Don Galucci, Keyboarder der legendären Kingsmen („Louie, Louie“), beaufsichtigte FUN house: Weil das Album stärker an den Liveshows orientiert war, die wenigen hippieesken Momente vom Debüt komplett ausblendete, haute das finale Werk der Urbesetzung effizient auf die Zwölf. Das um Tenorsaxophonist Steven Mackay ergänzte Quartett wuchtete sich noch drastischer als auf dem Vorgänger durch den aktuellen Zustandsbericht des Jahres „1970“. Minutiös loteten Iggys dokurealistische Lyrics Amerikas steigende Kriminalitätsrate aus („Down On The Streets“, „Loose“), warnte er einerseits vor dem manipulierenden Suchtmacher Fernsehen, andererseits aber auch vor dem Blick geil stierender Männer („TV Eye“). Umspielt von den Free-Jazz-Fetzen McKays, schilderte er die USA als im Chaos kollabierendes Tollhaus („Fun House“), bevor sich zum Finale im atonalen „L.A. Blues“ der ganze elende Dreck der Menschheit entludt.

Rhino Handmade erkannte den Meilensteinstatus von FUN house schon vor einigen Jahren, als die zum Teil chaotischen Sessions in ultimativer Würdigung auf immerhin sieben CDs in limitierter Auflage erschienen. Für die Deluxe Edition fanden 14 dieser Rehearsal-Talces Aufnahme ins Tracklisting, inklusive unterschiedlicher Mixe der Originalsingle „Down On The Streets“ / „I Feel Alright (1970)“ sowie zweier Session-Outtakes, „Lost In The Future“ und „Slide (Slidin’The Blues)“.